Bereits seit vielen Jahren verfolgt der Studierendenrat engagiert das Ziel der Abschaffung von Prüfungsunfähigkeitsbescheinigungen und einer Verkürzung der Abmeldefristen von Prüfungen an der MLU. Während dabei mit dem neuen Landeshochschulgesetz voraussichtlich endlich ein Etappensieg bezüglich der Prüfungsunfähigkeit erreicht wird, ändert sich am grundlegenden strukturellen Problem allerdings herzlich wenig: Noch immer werden Studierende durch die Begrenzung von Prüfungsversuchen unnötig unter Druck gesetzt, müssen aus Furcht vor schlechten Studienleistungen von Prüfungen zurücktreten und greifen dabei in ihrer Verzweiflung teilweise zu unlauteren Mitteln, leiden unter Prüfungsangst oder Prüfungsstress. Dies alles sind Umsetzungsfehler der Bologna-Reform. Viel galanter wäre dabei allerdings ein Modell, welches sich vom althergebrachten ablöst und es vermag, im Studium endlich wieder Qualität der Quantität überzuordnen.
Ein derartiges Modell gibt es als „Pilotprojekt“ bereits: Schon vor 10 Jahren wurde an der Universität Bielefeld – welche mit über 24.000 Studierenden über eine beachtliche, mit der MLU absolut vergleichbare, Größe verfügt – das „Prinzip der unbegrenzten Wiederholbarkeit von Einzelleistungen“ eingeführt.
Was bedeutet dieses Prinzip? Nicht nur gibt es damit keine Versuchshöchstzahl für Prüfungen mehr, nach welcher Studierende endgültig ihren Prüfungsanspruch verlieren, exmatrikuliert werden und sich deutschlandweit nicht mehr im gewählten Fach einschreiben können – nein, zusätzlich ist es ihnen auch möglich, bereits Bestandene Prüfungen zu wiederholen, um ihre Note zu verbessern.1
Die Vorteile sind zahlreich:
1) Endlich ist es Studierenden möglich, ihre ganz persönlichen Lebensumstände mit dem Studium zu verbinden: Arbeiten neben dem Studium, Studieren mit Kind, Pflege von Angehörigen, ehrenamtliches Engagement – all das und vieles mehr lässt sich so mit einem freien und selbstbestimmten Studium ohne unnötigen Druck vereinbaren.
2) Bulimie-Lernen adé: Die Wiederholbarkeit von Leistungen lässt den Freiraum, diese zu verbessern und ermöglicht es so, für die selbstständige Vertiefung von Prüfungsstoff auch einen Lohn zu erhalten – sie ist damit Anreiz zur persönlichen Entwicklung. Zudem spiegeln Noten so endlich wieder tatsächlich erworbene Kompetenzen und Qualifikationen wieder.
3) Auch die Universität profitiert: Neben einer Vereinfachung der Organisation des Prüfungswesens und der Verwaltung von Einzelleistungen werden Studierende tatsächlich zu einem zügigen Studienabschluss motiviert, weil diese sich nicht von einer begrenzten Versuchszahl abschrecken lassen müssen.1
In Bielefeld zeigt das Prinzip Erfolg! Tatsächlich haben sich seit der Einführung weder die durchschnittliche Studiendauer noch die Zahl der wiederholten Prüfungen verändert. Es zeigt sich also, dass Prüfungen nicht zwangsweise mit Angst und Schrecken einhergehen müssen, damit Studierende erfolgreich ihr Studium beenden.2
Der Studierendenrat fordert daher die flächendeckende Einführung des „Prinzips der unbegrenzten Wiederholbarkeit von Einzelleistungen“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg! Wir wollen erreichen, dass die MLU zu einem Ort der Innovation wird, an dem Studium endlich wieder seinem eigentlichen Zweck dient: dem Streben nach individueller Entfaltung und Entwicklung. Lasst uns gemeinsam die Fehler der Bologna-Reform endlich korrigieren!
[1]: https://ekvv.uni‑bielefeld.de/wiki/en/Erl%C3%A4uterungen_zu_den_%22Rahmenpr%C3%BCfun gsordnungen%22#3%29_Wiederholbarkeit_von_Einzelleistungen
[2]: https://www.kss-sachsen.de/pm_11_19