Wie wir bereits im Dezember 2015 veröffentlicht hatten, lehnen wir wie viele unserer Kommiliton*innen das Konzept der „Anwesenheitspflicht“ ab. Wir erachten die Pflicht in weiten Teilen als illegal und für eine gute Lehre auch als kontraproduktiv. Jetzt haben wir zusammen mit dem Prorektorat für Studium und Lehre einen Text verfasst, der die wichtigsten Sachen noch einmal zusammenträgt.
1.) Eine Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich und nur dort, wo dies in einer Studien- und Prüfungsordnung ausdrücklich vorgesehen ist. Das folgt aus der in § 4 Abs. 5 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt verankerten Studierfreiheit.
2.) Die Regelung einer Anwesenheitspflicht ist ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund der Art der Lehrveranstaltung erforderlich ist, um das Lernziel zu erreichen. Der Lernerfolg der Lehrveranstaltung muss somit auf der regelmäßigen Teilnahme der Studierenden beruhen. Beispiele dafür können Laborpraktika, praktische Übungen oder Exkursionen und Praktika sein, wenn bei diesen Lehrveranstaltungen Fähigkeiten vermittelt werden, die ohne regelmäßige Anwesenheit nicht erlernt werden können. Kann das Lernziel auch durch Selbststudium erreicht werden, ist eine Anwesenheitspflicht jedoch nicht zulässig. Für Vorlesungen darf daher generell keine Anwesenheitspflicht verlangt werden.
3.) In Seminaren ist eine Anwesenheitspflicht nur in Veranstaltungen mit geringer Gruppengröße und nur dann zulässig, wenn der aktive Austausch zur Einübung des wissenschaftlichen Diskurses zwischen Studierenden und Dozent*innen unerlässlich für das Erreichen des Lernziels ist.
Mit diesen Feststellungen, die wir mit dem Prorektorat teilen, ist die Anwesenheitspflicht natürlich nicht von der Bildfläche verschwunden. Gerade die Möglichkeit diese in Seminaren mit „geringer Gruppengröße“ einzufordern, wird auch in Zukunft für viele Diskussionen sorgen. Allerdings ist die Anwesenheitspflicht in fast keinem Studiengang überhaupt in der Studien- und Prüfungsordnung verankert. Vor der Frage, wo die Pflicht theoretisch legitim sein könnte, rufen wir alle Studierenden dazu auf, einen Blick in die jeweiligen Ordnungen ihres Studienganges zu werfen. Sollte sich dort unter „Studienleistung“ nichts zu dem Thema finden, kann man sich die weitere Debatte sparen und die Pflicht ist nicht rechtmäßig.
Als Studierendenrat weisen wir abschließend aber darauf hin, dass Studierende auch bei den Lehrveranstaltungen, für die keine Anwesenheitspflicht besteht, letztlich selbst dafür verantwortlich sind, sich den Inhalt der Veranstaltung zu erarbeiten. Dies kann im Rahmen des Selbststudiums zu Hause schwieriger sein als es bei einer Teilnahme an der Lehrveranstaltung der Fall ist, bei der nicht nur Gelegenheit zum Austausch mit anderen Studierenden, sondern auch für Rückfragen bei dem*der Dozent*in besteht. Deshalb setzen wir uns nicht gegen die Lehrveranstaltungen ein und raten auch nicht von einem Besuch ab, sondern möchten nur dafür kämpfen, dass die Studierenden die freie Wahl haben