Als Studierendenrat rufen wir ebenfalls zu Protesten gegen den geplanten IB-Aufmarsch am 20. Juli auf und unterstützen die antifaschistischen Bemühungen, den Rechtsextremen diesen Tag zu versauen und ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Sexismus zu setzen. Diesen Anlass wollen wir aber auch dazu nutzen, unsere Positionierung zu und Analyse der „identitären“ Gruppe in Halle zu aktualisieren, die wir erstmals im Jahr 2015 veröffentlicht haben.
Hier ist festzustellen, dass etliche der damals genannten Punkte weiterhin zutreffen. Insbesondere das zentrale Element falscher historischer Bezüge bleibt der IB erhalten, was sich auch an ihrem Demo-Aufruf für den 20. Juli zeigt. Neben selbstreferenziellem und trotzigem Gerede im Text, sollen die rechtsextremen Reisekader mit einem Propaganda-Bild mobilisiert werden, welches die Silhouetten historischer Gebäude zeigt. Man kann davon ausgehen, dass diese für die „Identitären“ die Stein gewordene „europäische Identität“ symbolisieren sollen. Dabei zeigt sich der an Comic-Verfilmungen geschulte historisch-kritische Blick der selbsternannten „intellektuellen Rechten“: Stonehenge, das Brandenburger Tor und das Kolosseum ergeben hier endlich die Einheit, die man braucht, um das „Europa der Vaterländer“ herbeizufantasieren. Wie wir aber schon 2015 festgestellt haben, sind die realen Gegebenheiten der IB genauso egal, wie die Jahrtausende und Jahrhunderte zwischen den einzelnen Silhouetten. Es geht ihnen nicht um Fakten, sondern um die gefühlte „ethno-kulturelle Identität“ und das daraus resultierende brutale und tödliche Freund-Feind-Denken, um die Konstruktion des Eigenbildes durch die Abgrenzung nach Außen.
Geirrt haben wir uns damals allerdings in der Vorstellung, dass die „Identitären“ mit ihrer gefühlsmäßigen Weltanschauung tatsächlich Einfluss auf den akademischen Betrieb nehmen könnten. Zwar existieren die im Text von 2015 genannten Probleme im wissenschaftlichen Betrieb (kollektivierendes, autoritäres und kulturalistisches Denken) weiterhin, aber die IB hat bundesweit nie inhaltliche Arbeit zustande gebracht, die über extrem kurze YouTube-Videos und Stammtisch-Parolen hinausgehen würde. So konnten sie vor allem aufgrund eigener Unfähigkeit nicht vom Rechtsruck profitieren, der sich andernorts in offen rechts auftretenden Professor*innen zeigt, die dann gerne auch mal beim „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda auftreten. Auch haben sie in Halle die Universität als Agitationsort direkt nach ihrer Gründung quasi wieder verlassen. Trotz direkter Lage neben dem Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Campus und obwohl ihre Verbündeten inzwischen zu Gremienwahlen antreten sind die Aktionen mit hochschulischem Bezug an einer Hand abzählbar und man beschränkt sich im rechten Hausprojekt darauf, eine „patriotische Bar“ für die eigene Peer-Group zu schmeißen. Dabei ist es bezeichnend, dass sie für größere Aktionen die erwähnten Reisekader aus dem ganzen Bundesgebiet zusammenziehen müssen, um am Ende ein halbwegs volles Propagandafoto hinzubekommen.
Wahrscheinlich liegt dieser Tatsache aber auch eine Form rechtsextremer Arbeitsteilung zugrunde. Während die Lobby-Arbeit also den selbsternannten Vordenker*innen um Götz Kubitschek überlassen wird, dürfen sich die „identitären“ Jungaktivist*innen als Fußvolk ums Grobe kümmern. So sind sie – schneller als wir 2015 befürchtet hatten – vor allem durch Gewalttaten aufgefallen. Etliche Drohungen, Beleidigungen und Übergriffe sorgen für eine Chronik rechtsextremer Gewalt in Campus-Nähe bzw. sogar direkt auf dem Steintor-Campus, illegale Kameraüberwachung und nicht erlaubter Waffenbesitz sollen Antifaschist*innen und Anwohner*innen einschüchtern. Im Schatten der Gewalt läuft über das Hausprojekt inzwischen eine PR-Maschinerie und je weniger real passiert, desto häufiger wird auf Facebook und Instagram gepostet.
Glühwein-Trinken unter Rechtsextremen? „Patriotischer Weihnachtsmarkt war ein voller Erfolg“ – Ein paar rechte Verlage legen die gleichen Bücher auf den Tisch? „Hier wird Europa gebaut“ – Jemand malt ein Graffito in den Privatgarten? „Das Widerstandmilieu sprüht vor Kreativität“
So oder so ähnlich lauten stets die Verlautbarungen nach den faktisch internen Veranstaltungen, die zum Glück beständig von Gegenprotesten der Anwohner*innen, vom Bündnis „Halle gegen Rechts“ und der Initiative „Kick Them Out“ begleitet werden. Nicht selten kommt auch der Hinweis darauf, dass man natürlich viel mehr Niveau habe als die Gegendemonstrant*innen. Wenn daran auch nichts Wahres ist, so wird es doch im Internet verbreitet und geglaubt. Die IB in Halle nimmt also vor allem die Funktion einer Schlägertruppe und einer PR-Agentur ein: Die Inszenierung ist alles und wer ihr in die Quere kommt, wird aktiv bekämpft. Ein paar schöne Fotos gemacht, ein paar Andersdenkende angegriffen und der Tag war erfolgreich. Das oben genannte zeigt schon, warum Gegenprotest weiterhin wichtig ist: Auch wenn nicht allzu viel hinter der Gruppe steckt, so verbreitet ihre Inszenierung trotzdem aktiv menschenverachtende Propaganda, ihr Hausprojekt ist ein Ort für die Vernetzung unterschiedlichster Hetzer*innen (AfD, Ein Prozent, IfS etc) und ihre Präsenz ist Ausgangspunkt rechter Gewalttaten. Als Studierendenrat sehen wir uns deshalb in der Verantwortung, das Problem der IB zu benennen und von der Studierendenschaft und der MLU eine klare Abgrenzung einzufordern: Die Universität darf niemals Plattform ihrer faschistischen Agitation werden und niemand sollte ihre Taten hinnehmen oder normalisieren.
Deshalb ist antifaschistischer Protest heute so nötig wie 2015! Geht am 20. Juli mit uns auf die Straße und zeigt, dass identitäre Propaganda keine Chance hat!
Informationen zur IB:
StuRa-Position von 2015:
https://www.stura.uni-halle.de/blog/lust-am-untergang-die-ideologie-der-identitaeren/
Seite der Initiative KTO:
https://kickthemout.noblogs.org/recherchen-und-informationen/
Infos von Halle gegen Rechts:
https://www.halle-gegen-rechts.de/348-rechtsextremes-hausprojekt-adam-kuckhoff-str-16-halle.html
Kontrakultur als rechtsextreme Marketing-Agentur:
https://www.belltower.news/kontrakultur-halle-eine-rechtsextreme-marketing-agentur-44088/