Recherchen des journalistischen Netzwerks Correctiv, zu einem geheimen Treffen unter Beteiligung von AfD-Politiker*innen, Mitgliedern der Identitären Bewegung (IB) und externen Geldgebern sind eindeutig: Die Teilnehmenden des Treffens planten, Menschen, die nicht in ihr rechtes und völkisches Gesellschaftsbild passen, aus Deutschland zu vertreiben. Dies ist zutiefst menschenverachtend und auf das Schärfste zu verurteilen. Die Enthüllungen zeigen somit einmal mehr, dass die faschistische AfD in ihrem Agieren als politische Kraft eine Gefahr für die Demokratie und unsere offene Gesellschaft darstellt. Wir finden daher, dass es genau jetzt ein guter Zeitpunkt ist, auch selbst stärker politisch aktiv zu werden. In Halle setzt sich beispielsweise das Bündnis Halle Gegen Rechts explizit gegen rechte Umtriebe in der Stadt ein.

Halle spielt allgemein bei dem geheimen Treffen eine wenig ruhmreiche Rolle: Mehrere Personen haben einen direkten, teils indirekten Bezug zur Stadt. Darauf wollen wir im Folgenden noch etwas genauer eingehen:

Mario Müller (IB-Haus in Halle)

Mario Müller war Student an der MLU und hat sich jahrelang für verschiedene faschistische Strukturen eingesetzt, insbesondere über die rechtsextreme Burschenschaft HLB Germania, die bis heute im Paulusviertel residiert. Aber auch in NPD-Strukturen war er vertreten. Bundesweite Bekanntheit erlangte er mit dem vermeintlichen Hausprojekt “Flamberg” der “Identitären Bewegung” (IB) am Steintor-Campus in Halle, welches fulminant scheiterte – auch dank des Widerstandes der Zivilgesellschaft und der Studierenden. Seine politischen Vorstellungen, die Müller auch immer wieder zur Gewalt gegen Andersdenkende geführt haben, versucht er nach diesem Scheitern nun über die AfD umzusetzen, die ihn dafür mit offenen Armen empfängt und für deren sachsen-anhaltischen Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt er arbeitet. 2019 führte es zu einem Skandal, dass Reinhold Beckmann und Mario Müller auf derselben Party waren – auf der Geburtstagsfeier des rechten Publizisten Matthias Matussek. Heute trifft sich Müller auf Einladung von millionenschweren Investoren mit AfD-Prominenz, Vorstandsmitgliedern des Vereins für Deutsche Sprache und CDU-Mitgliedern, was Ausdruck des Rechtsrucks ist. Seine Personalie zeigt auch, wie die Vorstellungen von “Remigration”, also massenhafter und brutaler Entrechtung, umgesetzt werden sollen: Gewaltsam, gegen (vermeintliche oder tatsächliche) Migrant*innen, Linke, Antifaschist*innen, Andersdenkende im Allgemeinen. Gerade wer die Bedrohung des Campus-Lebens durch die IB kennt, muss verhindern wollen, dass diese Menschen ihren Einfluss behalten oder gar ausbauen.

Ulrich Vosgerau (Lehraufträge in Jura 2014/2015 an der MLU)

Ulrich Vosgerau, habilitierter Jurist für unter anderem Öffentliches Recht sowie Völker- und Europarecht, hat in den Jahren 2014 und 2015 Lehraufträge an der Martin-Luther-Universität übernommen. So hielt er im Sommersemester 2014 die Vorlesungen für Europarecht, Völkerrecht und Allgemeine Staatslehre an der juristischen Fakultät. Auch im darauffolgenden Wintersemester war er für zwei Vorlesungen verantwortlich. Die Lehraufträge Vosgeraus, insbesondere im Bereich des Staats- und Völkerrechts, erscheinen nun im Licht der Teilnahme an dem Treffen mit AfD und IB besonders problematisch. Vosgerau ist außerdem Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und tritt sowohl für die Stiftung, als auch für die AfD teilweise als Vortragsredner auf. Darüber hinaus ist er in den Medien und Strukturen der sogenannten „neuen Rechten“ aktiv, was so ähnlich für viele weitere Funktionär*innen der extremen Rechten gilt, die auch an dem Treffen beteiligt waren. Vosgerau gibt außerdem auf seiner Website an, unter anderem Lehrstuhlvertretungen an der MLU wahrzunehmen. Auf eine kurzfristige Nachfrage des Studierendenrates haben wir dazu die Antwort erhalten, dass Vosgerau seit mehreren Jahren keine Lehraufträge an der MLU wahrgenommen hat. Außerdem ist er kein Privatdozent der Universität, anders als dies zum Beispiel in Köln der Fall ist, wo sich die dortige Universität mittlerweile distanziert hat.

Martin Sellner (Institut für Staatspolitik)

Martin Sellner ist ein österreichischer Faschist, der schon als Jugendlicher Hakenkreuze an Synagogen geschmiert hat. Heute konzentriert er sich vor allem auf rassistische “Remigrations”-Propaganda und hat die IB in Deutschland und Österreich stark geprägt. In diesem Sinne war er auch in Halle tätig, musste z.B. bei Übergriffen identitärer Kader vor Gericht aussagen. Seine völkischen Umsturzfantasien formuliert er meist im “Antaios Verlag” des faschistischen Verlegers Götz Kubitschek, der in Schnellroda aktiv ist. Viele hallesche Studierende haben dort bereits gegen Veranstaltungen von Kubitscheks „IfS“ demonstriert und kennengelernt, wie die extreme Rechte versucht, Räume zu besetzen – so soll das gesamte Dorf Schnellroda in Beschlag genommen werden, auch gegen den Willen einiger explizit demokratischer Einwohner*innen. Auch wenn sich Sellner aus taktischen Gründen von seiner “Jugendzeit” distanziert hat, so bleibt er sich und seiner Linie treu: Antisemitische Verschwörungstheorien vom “Großen Austausch”, rassistische Hetze und Säuberungsfantasien gegen Andersdenkende sind stete Wegbegleiter Sellners. In Halle und Wien wurden seine Projekte immer wieder gestoppt, die IB existiert kaum noch. Aber ähnlich wie Müller, versucht er nun den politischen Aktivismus in die AfD zu transferieren. Was mit den vollmundigen Behauptungen der IB nicht gelang (also z.B. die Eroberung der MLU), soll nun an der Wahlurne entschieden werden. Das Ziel ist klar: Faschismus über formale Wahl.

Ulrich Siegmund (Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag Sachsen-Anhalts)

Ulrich Siegmund ist Politiker der AfD und seit 2016 Abgeordneter des Landtags in Sachsen-Anhalt. Seit August 2022 ist er außerdem gemeinsam mit Oliver Kirchner Fraktionsvorsitzender. Bevor Ulrich Siegmund der AfD beitrat war er zunächst einige Jahre als Mitglied in der CDU aktiv.  Damit zeigt er in seiner Person ein Kernproblem des Geheimtreffens: Den Kontakt der äußersten Rechten rund um Sellner und Müller über die inhaltlich genauso zu verortende AfD hin zu Unternehmer*innen und Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit, die sich nicht nur nicht abgrenzen, sondern die faschistische Positionierung vorantreiben und ihre Institutionen dafür gewinnen wollen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Enthüllungen ist besonders erschreckend, dass Siegmund außerdem Vorsitzender des Sozialausschusses im Landtag von Sachsen-Anhalt ist, da der Ausschuss unter anderem für die Migrationspolitik des Landes zuständig ist. SPD, Linke und Grüne im Landtag haben vor diesem Hintergrund bereits eine Abwahl des AfD-Politikers gefordert, die wir als Studierendenrat der MLU nur bekräftigen können. Wie Siegmund denkt, war allen kritischen Beobachter*innen schon vorher klar – aus dem Plan für die Entrechtung etlicher Millionen von Bürger*innen muss aber nun eine Reaktion erfolgen, um deutlich zu machen, dass es in Sachsen-Anhalt und Halle dafür keinen Platz geben kann, solange demokratische Parteien noch Mehrheiten stellen.