Nicht zuletzt aufgrund der Klimakatastrophe muss sich die Mobilität ändern. Das ist jetzt, zumindest unter dem Eindruck der Inflationskrise, endlich auch in der Politik angekommen. Das 9-Euro-Ticket war ein Beispiel für eine gute Idee, die aber viel zu schnell zu den Akten gelegt wurde. Das sogenannte „Deutschlandticket“ für 49 Euro ist dem Namen nach ein Nachfolger, hat aber mit dem sozialen Anspruch wenig zu tun. Deshalb gibt es immer mehr Städte und Bundesländer, die für bestimmte Gruppen Ermäßigungen beim Deutschlandticket anstreben und teilweise bereits umsetzen.
Auch wenn Sachsen-Anhalt leider noch nicht dazu gehört, ist das auch für uns relevant, denn der Koordinierungsrat für der Deutschlandticket, in dem im Wesentlichen Verkehrsverbünde gemeinsam mit den Verkehrsministerien und dem Bundesfinanzministerium tagen, diskutiert über die Einführung eines bundesweiten Studierendentickets. Dieses wäre wie das aktuelle Semesterticket ein Solidarmodell und würde für alle Studierenden verpflichtend zu zahlen sein, wenn die jeweilige Studierendenschaft sich in einer Ur-Abstimmung dafür entscheidet. Die Zahl von 29,40 Euro steht dabei im Raum. Aufgrund der Blockadehaltung, die vor allem von der FDP Sachsen-Anhalts und ihrer Verkehrsministerin Lydia Hüskens und der bayerischen Landesregierung ausgehen sollen, konnte der Beschluss allerdings nicht gefasst werden.
Diese grundsätzliche Ablehnung eines Solidarmodells halten wir für verantwortungslos und kritisieren sie auf das Schärfste. Natürlich haben wir auch an dem 29,40-Euro-Ticket Kritik, aber das ändert nichts an der Notwendigkeit eines vollsolidarischen Tickets für die Studierenden. Während natürlich die Studierenden in Halle das letzte Wort haben müssen, wollen wir bereits einige Bedenken zu dem Vorschlag äußern: Wir sprechen uns dabei klar für ein Ticket aus, welches maximal 19 Euro pro Monat kostet, denn es erscheint uns fraglich, ob eine weitere Erhöhung der Semesterticket-Preise auf die Höhe von 29,40 Euro im Monat sozial angemessen ist. Vielmehr droht sich die weitere Preiserhöhung, die wir vom Semesterticket kennen, fortzusetzen. Natürlich ist das MDV-Semesterticket eine gute Sache und wurde auch zurecht im Jahr 2018 mit gut 90%tiger Zustimmung angenommen, aber das ändert nichts an dem Defizit, die in immer höheren Studienkosten genauso bestehen wie in der fehlenden Erweiterung des Tickets auf den Norden und die fehlende Flexibilität in Zeiten geringerer Nutzung, wie z.B. der Corona-Krise.
Dabei wollen wir, wie oben gesagt, das vollsolidarische Modell nicht in Frage stellen: Es ist richtig, dass alle für etwas zahlen, was ihren Kommilton*innen so viel nützt wie der dauerhafte Zugang zum ÖPNV – eine Alternative ist für uns schlicht nicht denkbar. Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Studierenden gemolken werden. Und das werden sie: Wir sind die einzige Gruppe, die trotz solidarischer Zahlung eines festen Beitrages das Ticket selbst tragen soll, während alle anderen das 49 Euro-Ticket auf freiwilliger Basis erhalten. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass Studierende allerdings eine besonders armutsgefährdete Gruppe sind und nicht mehr, sondern weniger Geld haben als der Durchschnitt. Wir zweifeln nicht am vollsolidarischen Semesterticket – aber es muss mit der Zeit gehen. Das heißt konkret: Wer weiterhin unsere Beiträge will, muss sie deutlich senken – gerade in Zeiten des Deutschlandtickets.
Die aktuellen Verhandlungen zur Einführung eines bundesweiten Semestertickets lassen sich eigentlich nur als Farce bezeichnen. Die jetzt bekannt gewordene Blockade von CSU und FDP aus mutmaßlich parteitaktischen Motiven verstärkt den Eindruck noch. Dabei steckt der Fehler schon in der Genese: Eigentlich gehören zu einer Verhandlung immer zwei Parteien – im konkreten Fall hier also die Verkehrsminister*innen und die Verkehrsverbünde auf der einen, sowie die Studierendenschaften auf der anderen Seite. Bisher sitzen die Studierendenschaften oder die sie vertretenden Organisationen jedoch gar nicht mit am Tisch. Das muss sich sofort ändern! Nur so lässt sich auch erklären, dass der aktuelle Vorschlag für das Semesterticket mit einem viel zu hohen Preis einhergeht:
Aus unserer Sicht ist ein Preis von 29,40€ für ein bundesweites Semesterticket nicht akzeptabel. Dieser Preis entspricht auf das gesamte Semester hochgerechnet etwa 176€ und würde damit, wie auch schon beim aktuellen Semesterticket, einen großen Teil des Semesterbeitrags ausmachen. Das ist besonders vor dem Hintergrund, dass aktuell etwa 37% der Studierenden unterhalb der Armutsschwelle leben, eine viel zu hohe Belastung. Wir fordern deshalb ein bundesweites 19€-Ticket für Studierende. Dieser Preis wird mittlerweile in einigen deutschen Städten schon mit Sozialrabatt angeboten und sollte auch für Studierende gelten, da diese selbst häufig über geringen finanziellen Handlungsspielraum verfügen. Für das gesamte Semester würde dieser Ticketpreis gegenüber der aktuell im Raum stehenden Forderung eine Entlastung von etwas über 60€ bedeuten, das wäre für viele Studierende eine spürbare Verbesserung.
Wird diese Forderung umgesetzt, so erfüllt das neue Semesterticket sogar zwei zentrale Funktionen: Zum einen ist natürlich die Erweiterung vom MDV-Gebiet auf den ÖPNV in ganz Deutschland eine große Verbesserung der Mobilität der Studierenden. Mit der gleichzeitigen Preisfestlegung auf 19€ wäre das Ticket aber nicht nur eine verkehrspolitische Errungenschaft, sondern auch eine effektive sozialpolitische Maßnahme. Das Ticket würde so also nicht nur einen Beitrag zur stärkeren Nutzung des ÖPNV und damit zu weniger CO2-Emissionen leisten, sondern könnte auch die prekäre finanzielle Lage von Studierenden zumindest in Teilen verbessern.
Unsere Position bleibt also klar: Grundsätzlich unterstützen wir natürlich die Bemühungen nach einem bundesweiten Semesterticket, kritisieren neoliberale Blockadeversuche und sehen die aktuellen Entwicklungen als einen Schritt in die richtige Richtung. Wir fordern deshalb dringend, dass der Koordinierungsrat zum Deutschlandticket endlich mit Ergebnissen aufwarten kann! Aber es bleibt klar: mehr als 19€ im Monat bedeuten keinen echten Fortschritt – besonders wenn die prekäre finanzielle Lage vieler Studierenden betrachtet wird.