Stellungnahme des Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten:
Starrsinn und Ignoranz der Landesregierung bedrohen Existenz von Studentenwerken und machen Spitzenforschung unmöglich
Die Landesregierung hält an ihrer einseitigen Kürzungsideologie fest und will im kommenden Jahr wie angekündigt 26,5 Mio € weniger für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung ausgeben. So sieht es der aktuelle Haushaltsentwurf vor, der im September in den Landtag eingebracht wird.
Forschung und Innovation
Das Land hatte die im Jahr 2005 begonnene Exzellenzoffensive für die Jahre 2011 bis 2015 durch die Rahmenvereinbarung für Forschung und Innovation fortgesetzt. Ziel war es, mit 20 Mio. € jährlicher Fördergelder Spitzenforschung in Sachsen-Anhalt möglich zu machen und deren Innovationspotenzial für die Wirtschaft auszuschöpfen: „Die Landesregierung und die Hochschulen halten es daher für geboten, die begonnene Entwicklung zur Stärkung der Spitzenforschung […] fortzuführen und zu verstetigen“, heißt es in der Vereinbarung von 2010. Und im Koalitionsvertrag 2011 heißt es, dass die Rahmenvereinbarung für „Forschung und Innovation“ fortgeschrieben werden soll.
Die Landesregierung bricht nun ihr Wort, indem sie im nächsten Jahr unter anderem zehn Mio. € und damit 50 Prozent weniger für Forschung und Innovation ausgeben will. Übrig bleiben lediglich die Mittel für bereits eingegangene Verpflichtungen bei Personalausgaben. Gelder für innovative Einzelprojekte oder Forschungsinvestitionen fallen hingegen weg. Die Landesregierung sorgt damit dafür, dass die von ihr selbst eingeforderte Spitzenforschung in Sachsen-Anhalt nicht mehr möglich ist. Selbst im Haushaltsentwurf wird festgestellt, dass damit „auf mittlere Sicht nicht alle Forschungsschwerpunkte des Landes […] verstetigt werden können“. Allein an der MLU hat dieses u.a. den Wegfall von ca. 150 Stellen von wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen bis spätestens Ende 2014 zur Folge.
Die Landesregierung handelt mit diesem Vorhaben zudem gegen die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und ignoriert die Ratschläge dieses Expertengremiums, das sie selbst beauftragt hatte. Der Wissenschaftsrat stellt eine Steigerung der Forschungsleistungen aufgrund der Landesexzellenzoffensive und der Forschungsschwerpunkte fest und „empfiehlt daher ausdrücklich, die Förderung fortzusetzen“ (Seite 75 der Empfehlungen). Gerade in den Forschungsschwerpunkten verzeichnet der Wissenschaftsrat positive Entwicklungen, die einen Auftrieb für die Forschung im Land darstellen. Dieser wird nun aber vom Land hintertrieben. Weiterhin hatte das Gremium „dem Land mit Nachdruck [empfohlen], die Umsetzung der mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates erforderlich werdenden Restrukturierungs- und Verdichtungsmaßnahmen nicht durch sofortige Kürzungen des Gesamtbudgets zu behindern.“ Die Landesregierung folgt diesen Empfehlungen im aktuellen Haushaltsentwurf nicht und erweist sich somit als unbelehrbar und ignorant.
Nachwuchsförderung
Von den Kürzungen betroffen ist unter anderem auch die Nachwuchsförderung: Die Förderung nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz – die finanzielle Unterstützung junger Nachwuchswissenschaftler_innen, die in Sachsen-Anhalt ihre Doktorarbeit schreiben wollen – wird auf nunmehr 0,7 Mio. € halbiert und womöglich in den Folgejahren sogar ganz eingestellt. Die Zahl der Doktoranden dürfte somit in den nächsten Jahren um eine hohe dreistellige Zahl einbrechen. Dies stellt nicht nur einen Bruch des Koalitionsvertrages dar – „Der wissenschaftliche Nachwuchs soll durch eine Ausweitung der Landesgraduiertenförderung unterstützt werden“ (Seite 23) –, sondern dadurch verbaut sich das Land auch die Chance, hervorragende Nachwuchswissenschaftler/innen zu gewinnen und an das Land zu binden. Absolvent/innen werden so quasi direkt nach dem Abschluss vor die Tür des Landes befördert, denn feste Stellen für Nachwuchskräfte, von denen man leben und ggf. eine Familie ernähren kann, gibt es in Sachsen-Anhalt aufgrund der Kürzungspolitik der letzten Jahre kaum mehr.
Universitätsklinika
Weitere Kürzungen in Millionenhöhe plant die Landesregierung bei der Anschaffung von Großgeräten und Investitionen der Universitäten und Universitätskliniken. Konnte das Universitätsklinikum Halle im vergangenen Jahr noch 6,2 Mio. € investieren, sollen es im Jahr 2014 nur noch 1,4 Mio. € sein. Der bereits bestehende Investitionsstau wird somit noch verschärft und dürfte eher früher als später zu Versorgungsengpässen führen.
Derart radikale und abrupte Kürzungen sind für ein funktionierendes Wissenschaftssystem unzumutbar und machen das Land als Wissenschaftsstandort unattraktiv. Und auch hier hatte der Wissenschaftsrat festgestellt, dass die Finanzplanung des Landes „den massiven investiven Nachholbedarf am Universitätsklinikum Halle erheblich“ unterschreitet und gemahnt, dass die „Finanzplanung des Landes […] eine den zukünftigen Aufgaben des Standorts angemessene Ausstattung vorsehen [muss], um die Arbeitsfähigkeit von Fakultät und Klinikum nicht zu gefährden“ (Seite 25 der Empfehlungen zur Hochschulmedizin).
Studentenwerke
Studentenwerke sind für Studierende wichtige Einrichtungen, da sie Angebote im Bereich Wohnen, Essenversorgung, Beratung oder Kinderbetreuung bereithalten und das studentische Leben bezahlbar machen. Sie sind somit gemeinnützige, soziale Einrichtungen für Studierende und dies ist gesetzlich auch so vorgesehen. Es ist deshalb nur folgerichtig und im Studentenwerksgesetz vorgeschrieben, dass sie vom Land finanziell unterstützt werden. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Zuweisungen deutlich gekürzt worden. Der Entwurf der Landesregierung sieht nun für die Studentenwerke Halle und Magdeburg eine Halbierung der Unterstützung in 2014 auf nunmehr nur noch 1,25 Mio. € (Halle) bzw. 0,9 Mio. € (Magdeburg) vor. Weitere Kürzungen bis zum vollkommenen Wegfall jeglicher Zuschüsse in den Folgejahren sind zu befürchten. Dadurch würden die Studentenwerke in ihrer Existenz bedroht und könnten ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr nachkommen. Die Landesregierung demontiert damit eine wichtige soziale Einrichtung und wälzt die Kosten auf die Studierenden ab. Sie schädigt einmal mehr die Attraktivität des Studienstandortes und sorgt dafür, dass weniger Studierende nach Sachsen-Anhalt kommen.
Offene Fragen und Rechentricks
Pikant ist der Haushaltsentwurf bezüglich der zu erwartenden Hochschulpaktmittel, die der Bund den Ländern zum Ausbau der Studienmöglichkeiten bereitstellt: Erhielt das Land im Jahr 2012 27,5 Mio. €, sollen es im kommenden Jahr 54 Mio. € und damit mehr als doppelt so viel sein (Seite 11 des HH-Entwurfes). Der Haushaltsentwurf des Landes wirft die Frage auf, wofür dieses Geld verwendet werden soll: Kommt es tatsächlich den Hochschulen zugute, um zusätzliche Stellen zu schaffen und die Qualität des Studiums zu verbessern, oder will das Land das Geld nicht vielmehr dafür nutzen, die Kürzung der eigenen Zuschüsse an die Hochschulen zu verschleiern?
Pikant ist außerdem, dass die bekannten kumulativen 5-Millionen-Jahreskürzungen im Budget der Hochschulen ab 2015 bereits im aktuellen Haushaltsentwurf angekündigt werden. Sie werden aber in der Gesamtschau nicht sichtbar. Dies erklärt sich insbesondere dadurch, dass ab 2015 die Tarifsteigerungen bei den Personalkosten durch eine jährliche Steigerung der Landeszuschüsse abgemildert werden sollen. Dies wurde auch im Koalitionsvertrag (S. 23) festgeschrieben. Doch damit erhalten die Hochschulen mitnichten mehr Geld um Tarifsteigerungen beim Personal aufzufangen. Im Gegenteil: Ab 2015 werden den Hochschulen pro Jahr kumulativ fünf Mio. € aus dem Budget gezogen, um sie dann zur Abfederung der zu erwartenden Tarifsteigerungen in annähernd derselben Höhe wieder ins Hochschulsystem einzuspeisen. Die Landesregierung greift somit den Hochschulen in die rechte Tasche, um es ihnen dann gönnerhaft in die linke Tasche zurückzuschieben und verkauft dies als Erfolg, ohne auch nur einen Cent dafür bezahlen zu müssen. Am Ende ist für die Hochschulen eine reale Kürzung zu verzeichnen und die Landesregierung zieht sich aus der Verantwortung, reale Kostensteigerungen durch Erhöhung des Budgets auszugleichen.
Regierung verfehlt ihre eigenen Ziele – Landtag muss dies stoppen!
Wir fordern den Landtag auf, diesem Haushaltsentwurf nicht zuzustimmen, sondern für eine angemessene finanzielle Ausstattung von Hochschulen und Wissenschaft zu sorgen, die der Zukunft des Landes und der Attraktivität des Wissenschafts- und Hochschulstandortes Sachsen-Anhalt gerecht wird. Nur so kann das Land auch seine in der mittelfristigen Finanzplanung selbst gesteckten Ziele erreichen: Die Abwanderung aus Sachsen-Anhalt soll bis 2025 gestoppt sein, mehr junge Menschen sollen nach Sachsen-Anhalt kommen, das Land soll sich auf dem Weg in die Vollbeschäftigung befinden, die Zahl der Beschäftigten in der Forschung soll zunehmen. Lassen sich diese Ziele nicht verwirklichen, dürfte auch das Ziel, Sachsen-Anhalt finanziell auf eigene Füße zu stellen, nicht zu erreichen sein.