Immer mehr Folgen der Teuerungs- und Energiekrise werden in Halle und auch bei den Studierenden deutlich. Bundesweit trifft die Krise, die sich schon seit dem Sommer in Form von enorm steigenden Lebensmittelpreisen zeigt, vor allem Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen. Wer geringe oder keine Reserven hat, für den*die ist die Teuerung von rund zehn Prozent in den letzten Monaten kaum zu stemmen (1). Und diese trifft keine Luxusprodukte: Obst, Gemüse, Nudeln, Brot haben riesige Preissprünge hinter sich, die das, was viele Erwerbslose oder auch Studierende für Ernährung zur Verfügung haben, schon jetzt sprengen. Die besondere Betroffenheit von Studierenden wurde auch schon in der Corona-Krise herausgearbeitet. Hier ergab eine Sozialstudie, dass ein Drittel der Studierenden unter der relativen Armutsgrenze lebt (2). Das liegt auch daran, dass die Förderungsquote beim BAFöG bei nur elf Prozent (3) liegt und es deshalb praktisch keine dauerhafte und strukturelle Studienfinanzierung gibt, die eine Mehrheit der Kommiliton*innen unterstützen würde. Deshalb konnten die Corona-Hilfen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die aufgrund extrem hoher bürokratischer Hürden ohnehin kaum abgerufen wurden, auch nicht wirklich helfen (4).

Die angekündigten Hilfen reichen nicht

Jetzt sehen wir als Studierendenrat der MLU mit großer Sorge, dass die derzeit geplanten Entlastungspakete der Bundesregierung wieder keine Lösung für das strukturelle Armutsproblem bieten. Das tun sie weder bei Geringverdiener*innen noch bei Erwerbslosen oder bei Studierenden. Eine strukturelle Lösung müsste das verfügbare Einkommen erhöhen und einen Ausgleich für die steigenden Preise schaffen bzw. Preise für Lebensmittel, Energie und Miete konsequent und ab sofort deckeln. Einmalzahlungen können in einer akuten Krise wie dieser notwendig sein, aber decken bisher nur einen Teil der Zusatzkosten für einen sehr kurzen Zeitraum. Dazu kommt bei Studierenden, dass die Auszahlung der verkündeten 200 Euro für alle am ersten Dezember 2022 Immatrikulierten noch extrem unklar ist. Die bisher erklärte Beantragungsform weckt wie oben erwähnt Erinnerung an die extrem bürokratischen Corona-Hilfen. Darüber hinaus kommt eine Auszahlung im Frühjahr 2023 viel zu spät. Außerdem können die 200 Euro die krisenbedingten Zusatzkosten vielleicht für einen Monat abdecken, aber eben nicht mehr. Es ist also bereits jetzt klar, dass die Hilfen für Studierende nicht ausreichen werden und es weitere Entlastungen geben muss. Denn die Unzufriedenheit bei Studierenden liegt bereits jetzt auf einem Rekordhoch (5).

Land und Bund in der Pflicht

Hier sehen wir die Verantwortung, wie viele Studierendenschaften, die sich zum Beispiel bei Lernfabriken Meutern für sozialen Protest vernetzen (6), ganz klar bei der Bundesregierung, die endlich einen solidarischen Weg bei der Krisenlösung gehen muss, auf dem niemand zurückgelassen wird. Von der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) fordern wir Einsatz für die Interessen der Studierenden und eine Reform des BAFöG, welche es resilient gegenüber Krisen macht. Das ist auch das, was alle Ampel-Parteien in der Corona-Krise gefordert haben – eine weitere Verzögerung ist hier auch ein Wortbruch. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt muss beweisen, dass sie in der bzw. gegen die Krise investieren kann und will. Konkret bedeutet das, dass der bis jetzt nur angekündigte Landesfonds von 1,5 Milliarden Euro verwendet werden muss (7), um Sachsen-Anhalter*innen in Not zu helfen. Auch ein einzelnes Bundesland kann bspw. Hilfen für Erwerbslose, Studierende und Rentner*innen einrichten. Dazu muss das Geld auch in Institutionen fließen, die es ihren Aufgaben gemäß nutzen können – so müssen Hochschulen dabei unterstützt werden, das Lehrangebot aufrecht zu erhalten und die Studentenwerke brauchen Geld, damit es nicht zu weiteren Preissteigerungen kommt und sie vielmehr zusätzliche Angebote für Betroffene schaffen können. Wenn der Landesfonds nicht genauso verpuffen soll wie bundesweit die Milliarden aus den Corona-Fonds, dann müssen die Mittel schnell und direkt zu den Menschen und Akteur*innen kommen.

Die Krise ist hier angekommen

Im Supermarkt war die Krise schon lange sichtbar, in Halle ist sie es seit diesem Semester auch auf zwei weitere Arten: Zum einen nehmen die Preise in der Mensa zu, was im Sinne einer möglichst günstigen Verpflegung der Studierenden extrem problematisch ist (8). Auch die Diskussion über einen temporären Energie-Lockdown an ohnehin unterfinanzierten Hochschulen, der in Koblenz bereits angekündigt wurde, geht nicht spurlos an uns vorbei (9). Zum anderen kamen in letzten Monaten die Forderung nach Neben- und Betriebskosten-Erhöhungen gegenüber den Mieter*innen. Hier gibt es bundesweit erschreckende Beispiele von Vermieter*innen, die auch in der Krise noch Profit machen wollen, was politisch unbedingt unterbunden werden muss. Dazu kommen etliche Beispiele von Wohnungsgesellschaften, die die erwarteten Mehrkosten direkt an die Mieter*innen weitergeben wollen. Aber woher soll das Geld kommen? Ganz offensichtlich kommen die Entlastungen und Energiepreisbremsen nicht bei den Mieter*innen an, deren Kosten sich flächendeckend erhöhen. Die Wahrheit dabei ist: Viele Betroffene werden das Geld schlicht nicht haben und geraten in eine Schuldenfalle, der sie nur schwer wieder entrinnen können. Auch der Hinweis auf die Beantragung von etwaigen Unterstützungsleistungen bringt wenig, denn die Beantragung von Wohngeld, worauf nicht BAFöG-Studierende einen Anspruch haben, ist zu bürokratisch, verlangt auch Dokumente, die für die Überprüfung der Bedürftigkeit kaum Sinn ergeben und trifft auf überlastete Wohngeldstellen, was sich im Januar noch einmal verstärken wird. Fakt ist: Davon sind bereits jetzt viele Studierende in Halle betroffen. Wir fordern insbesondere die kommunalen Wohnungsgesellschaften deshalb dazu auf, Erhöhungen nicht durchzusetzen und appellieren an die Stadt, eine unbürokratische und vor allem zügige Bewilligung von Wohngeld zu ermöglichen. Natürlich müssen unsere Forderungen zusammengedacht werden: Es braucht mehr Geld vom Land für Studentenwerke, Hochschulen und Kommunen, echte und strukturelle Hilfen auf Bundesebene und auf kommunaler Ebene konkrete und direkte Unterstützungsleistungen. Tausende Studierende sind allein in Halle in einer prekären Lage, andere Gruppen sind ebenso betroffen. Wer jetzt deutlich mehr Geld verlangt, egal ob Uni, Staat, Privatunternehmen oder Wohnungsgesellschaften, riskiert soziales Elend – gesellschaftlich und ganz persönlich. Um die Kämpfe für eine solidarische Krisenlösung zu unterstützen, rufen wir deshalb dazu auf, sich an Bündnissen wie „Halle Zusammen“ oder „Genug ist Genug“ (10) zu beteiligen und die eigenen Interessen zu artikulieren.

Verweise:

  1. https://t1p.de/5lifk (Boeckler-Stiftung)
  2. https://t1p.de/upd5m (Bafög-Rechner)
  3. https://t1p.de/zsed5 (Destatis)
  4. https://t1p.de/akch1 (Tagesspiegel)
  5. https://t1p.de/zm0yy (EY)
  6. https://t1p.de/7znrw (Journal Frankfurt)
  7. https://t1p.de/2rwr1 (Landesregierung Sachsen-Anhalt)
  8. https://t1p.de/uiy23 (Du bist Halle)
  9. https://t1p.de/qo6n2 (SWR)
  10. https://t1p.de/8yxyb (Genug ist Genug)