Da am 6. Dezember an der Uni wieder einmal der Film „Die Feuerzangenbowle“ gezeigt wird, haben wir uns im Sprecher_innenkollegium des StuRas einige Gedanken darüber und über eine mögliche Position dazu gemacht. Tatsächlich haben wir kein Problem damit, dass dieser Film gezeigt und ein großes Event daraus gemacht wird, was für nicht wenige Studierende auch einen subjektiven Gewinn darzustellen scheint. Trotzdem halten wir es für notwendig, auf problematische Aspekte des Filmes und auch der Vorführung hinzuweisen und Teile des Events zu kritisieren. Das fängt schon damit an die Entstehungsgeschichte zu beleuchten: Der Film wurde 1943 produziert und kam 1944 raus, also in der Hochphase des nationalsozialistischen „totalen Krieges“. Allein das macht eine Reflexion des Filmes schon dringend, denn die Unterhaltungsindustrie war während des NS-Regimes komplett unter staatlicher Kontrolle und jede*r Filmschaffende*r brauchte eine Freigabe der Führung, die Feuerzangenbowle erhielt ihre wohl von Adolf Hitler persönlich.
Dazu passt, dass der Film auch inhaltlich der Stoßrichtung der NS-Propaganda seit 1943 entspricht. Während in der Anfangszeit des NS-Regimes vor allem Filme gezeigt wurden, die die vernichtungsideologische Welterklärung im Vordergrund hatten oder schlicht Werbung für die deutsche „Volksgemeinschaft“ machen sollten, veränderte sich das nach den ersten deutschen Niederlagen. Im Jahr 1943 drohte die Siegesgewissheit nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad und den beginnenden Bombenangriffen auf die ersten größeren Städte zu bröckeln, weshalb man nun auf Durchhalteparolen und harmlose, idyllische und vermeintlich unpolitische Filme setzte, die Erholung an der „Heimatfront“ suggerieren sollten.
Genau das findet sich in der „Feuerzangenbowle“, die völlig aus dem Geschehnissen herausgehoben ist und in einer gar nicht zu bestimmenden Zeit spielt: Neuere Autos treffen hier auf kaiserliche Uniformen. Klar ist dabei nur, dass jeder direkte Bezug zu der katastrophalen realen Situation vermieden werden soll, um möglichst unbeschwert und bieder daher zu kommen. Trotzdem findet sich in dem Film NS-Ideologie, zum Beispiel in der Figur des Oberlehrers Dr. Brett, der im Film erläutert: „Junge Bäume, die wachsen wollen, muss man anbinden, dass sie schön gerade wachsen – nicht nach allen Seiten ausschlagen. Und genau so ist das mit den jungen Menschen: Disziplin muss das Band sein, das sie bindet, zu schönem, geraden Wachstum.“ , womit er mit biologistischer Reduktion die brutale Zurichtung durch die damalige Pädagogik lobt und damit im Film als respektierter Lehrer erfolgreich ist. Hier geht die gezeigte, angeblich zwanglose Schulzeit in gewöhnliche Propaganda über, wobei sich beide Elemente auseinander ergeben, denn aus dem Ersteren soll sich ja neue Energie für den Kampf und die Unterwerfung im NS ergeben.
Ähnliches findet sich auch in den Abschlussworten des Protagonisten Johannes Pfeiffer: „Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir in uns tragen, Träume, die wir spinnen und Sehnsüchte, die uns treiben. Damit wollen wir uns bescheiden machen.“ Hinter dieser eigentlich harmlos wirkenden Behauptung steckt die damals herrschende Verzichtsideologie, die von der Bevölkerung erwartete, sich für den Kampf für Volkstum, Rasse und Führer aufzuopfern. Die fröhliche „Feuerzangenbowle“ soll den Deutschen also ermöglichen, sich gerne für die Vernichtung anderer Menschen im Zuge des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts „bescheiden zu machen“. Dieser Verzicht ist aber nicht nur unsinnig und unterdrückerisch für die Ideolog*innen, sondern hat historisch vor allem dazu geführt, dass die NS-Vernichtung noch zwei Jahre weitergehen konnte. In diesen zwei Jahren wurde noch einmal Millionen von Menschen ermordet und ein Hauptteil der Verbrechen fand hier statt. Auch die Durchhalteparolen der „Feuerzangenbowle“ haben Deutsche dazu befähigt, weiter zu morden, die Kapitulation hinauszuzögern und das Elend zu verlängern.
Wir finden, dass man diese historischen Umstände des Filmes nicht ignorieren kann. Da wir nicht wollen können, dass irgendwelche Filme verboten werden, fordern wir deshalb eine kritische Auseinandersetzung, zum Beispiel durch eine Rahmung des Films und das Bewusstsein dafür, was der Film erreichen sollte und was er heute noch erreicht. Unabhängig von dem konkreten Anlass wäre auch zu diskutieren, warum dieser NS-Film gerade heute wieder so viele Menschen erreicht.