Wie abzusehen war, bleibt der Diskurs über die Corona-Krise nicht nur in einem demokratischen Rahmen. Vielmehr nutzen Rechtsextreme und andere Menschenfeind*innen die von vielen Menschen (durchaus zu Recht) als bedrohlich wahrgenommene Situation, um in ihrem Sinne Propaganda zu betreiben. Zu nennen wären hier religiöse Fanatiker*innen, die die „Schuld“ am Virus durch ihre repressive Sexualmoral zu definieren versuchen. Sie äußern sich dabei trans- und homophob und behaupten, dass man mit einem „gottesfürchtigen“ Leben nicht krank werden könne. Diese Äußerungen sind doppelt gefährlich, denn sie verbreiten nicht nur potentiell tödliche Hetze, sondern unterminieren auch Bemühungen, die Krankheit einzudämmen. (1)
Darüber hinaus gibt es Positionen, die aus einer gesundheitspolitischen Perspektive heraus argumentiert scheinen, aber letztendlich ebenso ideologisch sind: Angesichts des Versagens vieler Gesundheitssysteme plädieren einige Politiker*innen dafür, Corona einfach passieren zu lassen um nach etlichen Toten dann eine Herdenimmunität zu erreichen. Dabei wird nicht nur mit dem Leben von Tausenden gespielt, sondern auch ausgedrückt, dass die Solidarität mit Risikogruppen nichts zählt. Oftmals fällt diese Argumentation mit einem sozialdarwinistischen Denken zusammen, welches Schwache, Kranke oder Ältere nicht als schützenswert begreift und die Verantwortung für die Gesundheit den einzelnen Menschen überlässt. (2)
Vor allem aber nutzen Rassist*innen die Krise, um ihre Abgrenzungs- und Abwertungsfantasien auszudrücken. An vielen Hochschulen (z.B. in Koblenz oder Frankfurt) wurde im Vorfeld der Krise festgestellt, dass es vermehrt zu rassistischen Feindseligkeiten gegenüber asiatischen Menschen gekommen ist. Dabei wird ein medizinisches und gesellschaftliches Problem wie Corona externalisiert und auf vermeintliche „Fremde“ übertragen. Die nationalen Verletzlichkeiten im Zuge einer globalen Pandemie werden so in ein menschenfeindliches und moralisierendes Schema gepresst. So erhalten bereits bestehende rassistische Vorurteile neuen Auftrieb. (3) Dabei spielt es für die Rassist*innen keine Rolle, dass das Corona-Virus absolut nichts mit bspw. chinesischen Auslandsstudierenden zu tun hat, beschuldigt werden sie trotzdem.
Es ist deshalb denkbar, dass diese Krise zu einer Stärkung rechtsextremer und autoritärer Positionen führt – das Gegenteil ist aber ebenso möglich! Es kommt deshalb auf uns an, solchen Ideologien entgegenzutreten. Vernünftigen Zusammenhalt in Zeiten der Corona-Krise gibt es nur, wenn er nicht durch Menschenfeindlichkeit beschränkt wird. Als Sprecher*innenkollegium solidarisieren wir uns ausdrücklich mit allen Betroffenen, insbesondere mit den ausländischen Studierenden an den hiesigen Hochschulen!
Verweise:
(1) Das krasseste Beispiel liefert der Metropolit der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland: https://www.queer.de/detail.php?article_id=35758
(2) Ein Beispiel ist der Vize-Gouverneur von Texas, der Großeltern quasi dazu aufrief, zu sterben: https://www.spiegel.de/panorama/coronavirus-texanischer-gouverneur-fordert-grosseltern-auf-fuer-ihre-enkel-zu-sterben-a-5d7724af-e3d8-4ba0-a561-ecb8af0f402d
(3) Das Statement der HS Koblenz: https://www.hs-koblenz.de/hochschule/organisation/pressebereich/aktuelles/detail/_n/iamnotavirus-hochschule-koblenz-positioniert-sich-gegen-diskriminierung-und-rassismus