Wir sind schockiert und fassungslos über die im Bundeshaushalt vorgenommenen Kürzungen beim BAföG von 2,7 Milliarden auf ca. 2 Milliarden Euro. Wir halten diesen Vorschlag des BMBF und des Bundesfinanzministeriums für inakzeptabel, insbesondere vor dem Hintergrund des bereichsübergreifend herrschenden Fachkräftemangels und der ohnehin prekären Armutssituation unter Studierenden. Die Begründung der Ministerin Stark-Watzinger und des Bundesfinanzministers Lindner, die Kürzung “[entsprächen] der aktuellen Bedarfsprognose auf Basis der geltenden Rechtslage” (Lindner) und würden keine Kürzungen der BAföG-Leistungen bedeuten (Stark-Watzinger/BMBF) sind ein Armutszeugnis. Es zeigt, dass der Wille nach einer tatsächlichen strukturellen Reform des BAföGs nicht dem politischen Willen der zuständigen Ministerien entspricht.
Dabei wäre eine solche Reform längst überfällig. Unter anderem der fzs e.V. und das DSW sehen grundlegende Mängel im BAföG und attestieren dringenden Reformbedarf. Betrachten wir ein paar Zahlen dazu: Aus einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aus dem Jahr 2022 geht hervor, dass rund 30% aller Studierenden in Armut leben, ganze 25% müssen mit einem monatlichen Einkommen unter 600€ auskommen. Damit fällt die Armutsquote deutlich höher aus als bei der Gesamtbevölkerung (16,8%). Die Armutsquote unter den alleinlebenden Studierenden liegt sogar bei 79,2%. Laut der 22. Sozialerhebung des DSW haben 37% der Studierenden weniger als 800€ zur Verfügung. Eine von uns im Jahre 2021 durchgeführte Sozialbefragung unter den Studierenden der MLU zeichnet ein ähnliches Bild: 51% der Studierenden der MLU haben monatlich unter 700€ zur Verfügung, 30% sogar unter 500€. Diese Studierenden leben damit weit unter der Armutsgrenze von 1.047€ im Monat. Durch die Inflation können wir davon ausgehen, dass sich die damals festgestellten Zustände verschlimmert oder zumindest nicht verbessert haben werden.
Diese Zahlen zeigen, dass Studierende eigentlich einen hohen Bedarf an einer Grundsicherung wie dem BAföG haben. Dennoch beziehen laut DSW nur 11% der Studierenden BAföG. Einen Grund dafür liefert wieder die o.g. Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Diese zeigt, dass die Armutsquote von BAföG-beziehenden Studierenden mit 44,9% deutlich über der von Studierenden, die kein BAföG beziehen (28,9%), liegt. Es ist also fast die Hälfte der BAföG-beziehenden Studierenden arm, trotz BAföG. Eine funktionierende Grundsicherung sieht anders aus. Es ist auch wenig verwunderlich, dass vielen Studierenden eine “Grundsicherung”, deren Höchstsatz nicht einmal die Armutsgrenze, ja über ein Jahr nicht einmal das steuerliche Existenzminimum von 10.908 € erreicht, die aufwendige Antragstellung nicht wert ist.
Wir stellen also fest: Das BAföG wird in seiner aktuellen kaputtgesparten Form dem Anspruch, eine Grundsicherung für Studierende zu sein, ganz und gar nicht gerecht. Im Gegenteil: Wer arm ist und deswegen BAföG bezieht, bleibt trotzdem arm. Das im letzten Jahr umgesetzte Reförmchen des BMBF hat an dieser Situation nichts verändert. Die Erhöhung der Bedarfssätze wurde direkt von der Inflation neutralisiert. Was durchaus zu begrüßen ist, ist die Erhöhung der Elternfreibeträge um 20% und die Flexibilisierung der Altersgrenzen. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber erst eine vollumfängliche Eltern- und Altersunabhängigkeit sorgt für eine vollumfängliche Grundsicherung. Eine tatsächlich wirksame BAföG-Reform muss all das, angemessene Bedarfssätze und Förderbeträge sowie Eltern- und Altersunabhängigkeit schaffen.
Eine genau solche Reform fordern wir! Wir halten sie aber, genau wie das DSW, der fzs e.V., die Liberalen Hochschulgruppen, die Juso Hochschulgruppen, Campusgrün und der RCDS, mit dem aktuellen Vorschlag für den Bundeshaushalt nicht für möglich. Dass Bildungsministerin und Finanzminister die Kürzung im Haushalt allen Ernstes mit der geringen Anzahl an BAföG-Empfänger*innen begründen, ist als klarer Wille den unzureichenden Status Quo und den dafür verantwortlichen Sparkurs zu erhalten zu interpretieren, und damit als eine Absage zur im Koalitionsvertrag versprochenen BAföG-Reform. In diesem hieß es noch: “[Wir] machen das BAföG elternunabhängiger und bauen es für die Förderung der beruflichen Weiterbildung aus.” Dieses Versprechen wirkt vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wie Hohn.