Am 15.02.2018 soll der dritte „Staatspolitische Salon“ stattfinden. Was wie eine von unzähligen Diskussionsveranstaltungen im Uni-Kontext klingt, ist tatsächlich eine rechtsextreme Veranstaltung im Haus der „Identitären Bewegung“. Dort möchte man sich mit der „japanischen Zuwanderungspolitik“ beschäftigten, nimmt das Ergebnis aber schon vorweg. Statt zu fragen, was der Gegenstand eigentlich bedeutet, soll diskutiert werden, ob das Modell gut genug ist, um die identitären Forderung nach ethnischer Selektion vermeintlich Fremder zu befriedigen, die die Rechtsextremen in Japan erfüllt sehen. Es wird an diesem Abend also wenig um das Land, aber sehr viel um die rassistischen Bedürfnisse der Teilnehmer*innen gehen. Dabei bleibt es allerdings nicht. Denn nach dem ersten Punkt, der zu flach zum diskutieren ist, kommt als zweiter Punkt eine offensichtliche Lüge: In der Einladung wird behauptet, man möchte sich mit der Schließung der Japanologie an der Universität Halle beschäftigen und hätte dazu sowohl den AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, als auch Studierende der Japanologie dazu eingeladen. Bei Ersterem heißt es dazu, dass er sich für den Erhalt des Faches eingesetzt hätte und Letztere hätten laut Einladung diffus „in Gesprächen ihr Kommen“ angekündigt.
 
Hier sehen wir zwei verzweifelte Versuche, die Strategie der „Neuen Rechten“ umzusetzen. Zum einen versucht man mit der Behauptung, Leute wie Tillschneider hätten etwas für die Japanologie getan, sich auch als „soziale Alternative“ zu inszenieren und dabei das menschenfeindliche Kernthema auf andere Bereich auszudehnen. Dabei sei angemerkt, dass sich für den Erhalt des Faches an der Uni sehr viele Leute eingesetzt haben. Darunter waren Fachvertreter*innen, eine unabhängige Initiative von Studierenden, die Institutsgruppe der Japanologie, der Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät I und auch der Studierendenrat, allerdings niemand aus den Kreisen der „Identitären Bewegung“ oder der AfD. Und die Probleme sind nicht so plötzlich entstanden, als dass es hochschulpolitische Expertise dafür gebraucht hätte. Denn der erste Beschluss zur Aussetzung der Immatrikulationen im Wintersemester 2017/2018 wurde schon am 19. April 2017 vom Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I gefällt und am 3. Mai vom Akademischen Senat bestätigt. Die Aufhebung des Fachbereiches (BA 60/90), vor der schon 2017 gewarnt wurde, wurde am 17. Januar 2018 im Fakultätsrat beschlossen und wird im März im Senat verhandelt. Während also etliche Protestaktionen geplant wurden und sehr viele Stellungnahmen verschickt, diskutiert oder leider ignoriert wurden, bereitete man sich in rechten Kreisen wahlweise auf „den großen Austausch“, den nächsten Bürgerkrieg und vor allem auf die nächste PR-Aktion vor. Das wahrnehmbare Engagement vom angeblichen Bildungsexperten Tillschneider beschränkte sich im Übrigen auf zwei Dinge. Am 15. Januar 2018 schrieb er eine Stellungnahme für die Japanologie und veröffentlichte sie am 16. Januar bei Facebook. Darüber hinaus wird sich der Landtagsausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung am 22.02.2018 auf Tillschneiders Initiative hin mit der Japanologie befassen, wobei es für dieselbe Sitzung einen Antrag der Linksfraktion gibt, sich mit den „Schließungen an der MLU“ zu beschäftigen. Wir halten also fest: Ein Post und eine zusätzliche Befassung nach über einem halben Jahr Protest sind die Ergebnisse des rechten „Engagements“.
 
Aber selbst wenn sich die Rechtsextremen nicht nur in Verschwörungstheorien verlieren würden und mehr für bedrohte Fächer täten, wären sie doch immer noch Feind*innen von Wissenschaft und Bildung. Das zeigen auch die Argumente, die der Abgeordnete Tillschneider bildungspolitisch bringt. So müsste man die Japanologie erhalten, weil sie traditionell Teil des „orientalischen Fächerkanons“ der Uni Halle sei. Ihm geht es nicht um Studierfreiheit, gute Bedingungen oder die Förderung von Inhalten, sondern um sein reaktionäres Weltbild. Deshalb polemisiert er auch gegen die „linke Massenuniversität“ und
meint, dass sich an modernen Hochschulen „viel zu viele tummeln“ würden, die da eigentlich nicht hingehörten. Für die Schulen möchte er zwar irgendwie mehr Geld, sieht aber die Hauptprobleme in der rudimentären Einhaltung von Menschenrechten, sprich von Inklusion und Integration – beides möchte er ganz zurückdrehen und die Schulsozialarbeit gegen eine „Kultur des pädagogischen Strafens“ ersetzen. Genau wie der von Tillschneider gelobte Satz „Deutschland den Deutschen“ für niemanden einen sozialen Fortschritt darstellt, so ist es auch mit der rechten Bildungspolitik: Selbst wenn mehr Geld oder der Erhalt eines Fachbereiches versprochen wird, so bedeuten die Pläne doch nur unwissenschaftliches und autoritäres Elend.
 
Zum anderen soll mit dem Thema und dem lokalen Bezug allerdings ein zweites Ziel der „Identitären“ und ihrer Verbündeten erreicht werden. Obwohl bereits extrem viel Geld und Energie in ihre „patriotisches Hausprojekt“ geflossen ist, hat es doch faktisch keine inhaltliche Wirkung auf die Universität. Statt den imaginierten „Kulturkampf“ an die Uni zu tragen, haben sie einfach eine neue WG in Campus-Nähe aufgemacht. Das ist wahrscheinlich schön für sie, enttäuscht aber die Sponsor*innen, die ihre Projekte finanzieren. Deshalb ist es für die Rechtsextremen wichtig, die Anwesenheit von „echten MLU-Studenten“ aus der Japanologie zu betonen, da das gleichzeitig ihre „Strahlkraft“ und „Verankerung“ beweisen soll. Da diese beiden Sachen faktisch nicht existent sind und in der Einladung eben auch nur unbestimmt in Aussicht gestellt wird, dass unter Umständen Japanolog*innen kämen, können wir das nur für einen leicht durchaubaren Versuch halten.
 
Auch wenn wir hier also eine Veranstaltung haben, die auf Lügen, scheiternden Versuchen und den üblichen Narrativen aufgebaut ist, wollen wir dennoch dagegen vorgehen. Denn es ist entscheidend, die rechten Versuche, sich an der Uni und in der Hochschulpolitik Bedeutung zu verschaffen, sofort zu kontern. Wir halten es für dringend notwendig, der dahinterstehenden Menschenverachtung keinen Raum zu lassen und rufen als Sprecher*innenkollegium des Studierendenrates dazu auf, sich den Protesten der Initiative „Kick Them Out – Nazizentren dichtmachen“ anzuschließen und den Teilnehmer*innen des „Staatspolitischen Salons“ friedlich aber bestimmt zu signalisieren, dass diese Propaganda hier nichts verloren hat.
 
Hier geht’s zur Gegenveranstaltung: https://www.facebook.com/events/269549426912878/)