Das Bafög-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist skandalös und widersprüchlich. Zwar hat das Gericht anerkannt, dass es von erheblicher Bedeutung ist, dass allen Hochschulzugangsberechtigten eine Teilhabe am Studienangebot ermöglicht wird. Allerdings sind die Richter*innen der Auffassung, dass es angesichts begrenzter öffentlicher Mittel einer Priorisierung bedarf, welche sozialen Bereiche in welchem Ausmaß unterstützt werden. Dieser Aushandlungsprozess sei grundsätzlich Aufgabe des Parlaments als gewähltes Vertretungsorgan, sofern kein Ausnahmefall vorliegt, indem der Staat völlig unzureichende Maßnahmen zur Ausbildungsförderung ergreift und dadurch ganze Bevölkerungsgruppen faktisch keinen Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten hätten.

Es ist skandalös, weil die Richter*innen festlegen, dass das Bafög nicht existenzsichernd sein müsse und deshalb ruhig deutlich unter dem Existenzminimum liegen dürfe, wenn das die Politik so beschließt. Damit werden Studierenden wieder einmal aus dem Sozialstaatsprinzip ausgeschlossen, Studienabbrüche werden gefördert und das Recht auf Bildung wird verweigert.

Aber das Urteil ist auch widersprüchlich, denn es erklärt, dass bei fehlender Ermöglichung eines Studiums für ganze Bevölkerungsgruppen eine grundgesetzliche Pflicht für eine andere Gestaltung der Ausbildungsförderung bestehen kann – nur bestehe eine solche Situation nicht. Dieser Behauptung der Richter*innen widersprechen wir im Hinblick auf den Status Quo und das deutsche Bildungssystem, welches deutlich ungerechter als der OECD-Durchschnitt ist, ausdrücklich.

Nun hat das Gericht zwar entschieden, aber die politische Frage bleibt: Soll es ein sozial gerechtes Studium geben? Sollen Studierenden das Existenzminimum zur Verfügung haben? Karlsruhe hat das nicht abgelehnt, sondern sich nur für nicht zuständig erklärt. Damit bleibt die Bundesregierung weiter in der politischen Verantwortung Abhilfe für die katastrophale Lage, unter der viele Studierende leiden, zu schaffen. Die Ampel-Parteien und alle anderen demokratischen Akteur*innen sind weiter in der Pflicht, endlich im Sinne der Bildungsgerechtigkeit zu handeln und sich nicht auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auszuruhen.

Dafür braucht es eine grundsätzliche Umgestaltung des Bafögs. Als Sprecher*innenkollegium fordern wir den elternunabhängigen, unbürokratischen und nicht mehr an die Regelstudienzeit gebundenen Zugang zum Bafög sowie Bafög-Sätze, die die Existenz sichern und als Vollzuschuss ausgezahlt werden. Alles andere sorgt dafür, dass das deutsche Bildungssystem weiter eine Lotterie bleibt, in der immer wieder viel zu viele Menschen verlieren.