Als Sprecher*innenkollegium des Studierendenrates der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sind wir besorgt über die zunehmende Repression in Deutschland. Diese zeigt sich zum einen an der ungerechten und unverhältnismäßigen Kriminalisierung der Letzten Generation, die mit Razzien überzogen und unhaltbaren Vorwürfen diffamiert wurde. Hier hat der Rechtsstaat versagt. Sogar die Vereinten Nationen haben dieses Vorgehen kritisiert, wobei man diese Appelle der Organisation sonst nur gegenüber autokratischen Staaten kennt.
Natürlich ist es möglich, dass zuständige Gerichte die Maßnahmen aufheben und die Klageversuche abweisen. Nichtsdestotrotz ist der Schaden durch die Behörden bereits angerichtet: Hausdurchsuchungen mit gezogener Waffe, die Medienkampagne und die aufgeheizte Diskussion lassen sich auch durch spätere Gerechtigkeit nicht revidieren. Gerade mit Blick auf die Beschlagnahmung der Website der Letzten Generation zeigt sich, dass die Ermittlungsbehörden in Bayern die Unschuldsvermutung ignorieren, die so konstitutiv für den Rechtsstaat ist.
Ähnliches sehen wir bei dem Verfahren gegen Lina E. und die weiteren Angeklagten, welches am 31. Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht in Dresden zu einem vorläufigen Ende gekommen ist. Hier wurden schwer nachvollziehbare Haftstrafen verhängt. Gleichzeitig wurde der Antifaschismus an sich problematisiert und in Teilen dämonisiert. Das ist aus unserer Sicht äußerst kritikwürdig und besorgniserregend. Dabei geht es uns nicht um das staatliche Gewaltmonopol oder die Unabhängigkeit der Justiz, sondern um Ermittlungsbehörden, die völlig falsche Schwerpunkte setzen, Richter*innen, die kaum transparent nachvollziehbare Urteile fällen und eine öffentliche Debatte, die zum Generalangriff auf die Zivilgesellschaft aufzurufen scheint.
Wie sehr Schwerpunkte hier verrutscht sind, sieht man beim Vergleich mit dem Kampf gegen extrem rechte Gewalttäter*innen. In Halle sehen wir, dass die Justiz gegen Rechts mehr als zahm agiert. Zwar gibt es nun einen Prozess gegen den Neonazi Sven Liebich, aber vorab ist jahrelang nichts passiert – egal ob beleidigt, bedroht oder angegriffen wurde. Bundesweit kriegen etliche Neonazis, auch solche, die mit der rechtsterroristischen Organisation des NSU zusammengearbeitet haben, unverschämt milde Strafen. Vielfach gibt es Bewährungsstrafen für Angriffe auf Journalist*innen und Andersdenkende, wenn die Ermittlungsverfahren nicht gleich ganz eingestellt werden.
Des Weiteren kritisieren wir das Verhalten der Polizei am Wochenende des 03. und 04.06. in Leipzig. Die geplante Demo zur Solidarisierung mit von Repressionen betroffenen Antifaschist*innen wurde verboten, was wir als Einschnitt in die Versammlungsfreiheit sehen. Zudem darf auch das Verhalten der Polizei bei diversen Spontandemonstrationen nicht so hingenommen werden. Die Kesselung von hunderten Personen, welchen Zugang zu Decken und Nahrungsmitteln versagt wurde, verurteilen wir ebenfalls aufs Schärfste. Auch der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Sanitäranlagen und medizinischer Versorgung war nur erschwert bzw. verspätet möglich. Das Verhalten der Polizei an diesem Wochenende muss vollumfänglich aufgearbeitet werden und Konsequenzen müssen gezogen werden.
Als Sprecher*innenkollegium sehen wir den StuRa als Teil der Zivilgesellschaft und sind deshalb von der aktuellen Entwicklung mehr als besorgt. Wir unterstützen daher Initiativen, die sich gegen Repression stellen und eine andere Perspektive aufzeigen. In Halle haben Studierende dazu klar Stellung bezogen, indem sie eine grundsätzliche Kritik an dem Verfahren rund um Lina E. formuliert haben. Anlass dafür ist auch, dass Lina E. Studierende an der MLU war und damit eine Kommilitonin nicht zu rechtfertigender Repression ausgesetzt wird.
Zu einer vernünftigen Diskussion rund um Antifaschismus, Repression und die extreme Rechte gehören definitiv die antifaschistischen Solidaritätsinitiativen, mit denen wir uns in dieser Hinsicht solidarisieren.