Die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind miserabel, das weiß letztendlich jede*r. Allerdings schieben alle begeistert die Schuld von sich und auf andere Institutionen. Der Bund sagt, dass er ohnehin gute Bedingungen geschaffen hätte (etwa mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz) und die Länder die finanziellen Rahmenbedingungen nicht herstellen würden, die Länder sagen, dass sie kein Geld haben und Hilfe vom Bund bräuchten und die Universitäten verweisen auf das Land oder den Bund, wenn es darum geht, katastrophale Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen. So gibt es zwar jedes Jahr eine Diskussion darum, aber selten Bewegung in die richtige Richtung, denn das ganze System basiert darauf, dass Studierende sich unterfinanzierte Lehre und Dozierende bzw. Nachwuchsforscher*innen sich schlechte Jobs, Kurzzeitverträge und Ausbeutung bieten lassen bzw. keine andere Wahl haben. Als Studierendenrat wissen wir: Alle drei beteiligten Ebenen lügen letztendlich. Natürlich könnten die Länder, das Land Sachsen-Anhalt gibt fast eine Milliarde Euro zur Schuldentilgung aus, mehr in die Hochschulen investieren, sie sind sogar dazu verpflichtet. Aber auch die Universitäten könnten schon jetzt Arbeitsbedingungen verbessern, stattdessen weigern sie sich bzw. protestieren aktiv dagegen, wie der Rücktritt von Sabine Kunst, der ehemaligen Präsidentin der HU Berlin, zeigt, die die Verpflichtung zur Festanstellung von Wissenschaftler*innen für einen Angriff auf die universitäre Freiheit hält. Aber auch der Bund könnte etwas tun – und zwar das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) überarbeiten, die Länder zu einer besseren Finanzierung der Hochschulen bringen bzw. selbst Geld in die Hand nehmen, was nach einer Grundgesetzesänderung unproblematisch möglich ist.

Nun hat die Bundesregierung es versucht, den Pfad des Scheiterns damit aber nicht verlassen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat eine Änderung des WissZeitVG vorgelegt, die sich bei der zuständigen Ministerin Stark-Watzinger in eine Pannenserie einreiht. So enthält diese Reform zwar dringend notwendige Verbesserungen für studentische Hilfskräfte, wie etwa eine Mindestvertragslaufzeit, die mit der Erkämpfung eines studentischen Tarifvertrags dann ausgebaut werden können, aber versagt bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Hier ist es wichtig zu betonen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat – die Verbesserungen für studentische Hilfskräfte haben nichts damit zu tun, dass sich die Situation für Wissenschaftler*innen noch zu verschlechtern droht, vielmehr wirkt hier der Druck der Organisierung der Hilfskräfte, während man beim akademischen Mittelbau nur Scheinlösungen präsentiert. Konkret verschlechtern sich die Chancen für den Mittelbau dadurch, dass Personen nach ihrer Promotion nur noch für drei Jahre befristet angestellt werden dürfen (statt wie bisher sechs Jahre). In drei Jahren muss also eine Habilitation oder ein Tenure Track erfolgen, was ohne eine Veränderung der Rahmenbedingungen komplett unrealistisch ist. Darüber hinaus ist es aufgrund der Kürzungspolitik der Länder, der Befristungspraxis der Hochschulen und der fehlenden Verantwortungsübernahme durch den Bund für das Gros der Wissenschaftler*innen auch kaum vorstellbar, nach drei Jahren eine unbefristete Stelle zu ergattern. Hätte der Bund das ermöglichen wollen, müsste er ein Konzept für ein Ende der Lehrstuhlfixierung und der Ordinarienuniversität vorlegen, was er nicht getan hat. Der Stress wird also nur umso größer für Nachwuchswissenschaftler*innen, die innerhalb von drei Jahren ihre Karriere im akademischen Bereich sichern müssen oder die Wissenschaft eben verlassen werden. Es braucht hier eine radikale Reform, die die Mindestvertragslaufzeiten in jeder Phase (egal ob studentische Hilfskraft oder wissenschaftliche Mitarbeiter*innen) der akademischen Karriere deutlich erhöht, die Entscheidungsgewalt von den Lehrstühlen auf die gesamte Hochschule überträgt und entsprechend finanzielle Rahmenbedingungen dafür schafft, dass Menschen gute Stellen im akademischen Mittelbau bekommen können, die gleichzeitig in der Forschung und in der Lehre beteiligt sind.

Als Studierendenrat solidarisieren wir uns deshalb sowohl mit der TVStud-Initiative für einen studentischen Tarifvertrag, die erste Erfolge erzielt, als auch mit der Initiative #IchBinHanna, die für gute Perspektiven im Mittelbau kämpft. Insgesamt muss die öffentliche Hand deutlich mehr Geld dafür ausgeben, dass Wissenschaft, Forschung und Studium in einem sinnvollen Rahmen stattfinden können – derzeit sind gerade die Verhältnisse an unterfinanzierten Hochschulen wie der MLU nicht zu ertragen und schädlich für den Fortschritt. Daran wird das WissZeitVG nichts ändern, in Teilen wird es die Situation wie oben ausgeführt sogar verschlechtern. Das BMBF muss sich mit der Ampel-Koalition entscheiden, ob einfach Papiermüll produziert werden soll oder es eine richtige Überarbeitung gibt, die die Probleme dauerhaft und strukturell angeht.