Dass Protest und Organisierung sich lohnen können, betonen Studierendenrat, Gewerkschaften und Aktionsbündnis #MLUnterfinanziert bei fast jeder Gelegenheit. Dennoch setzte sich die Professor*innenmehrheit im Senat der MLU und die Landesregierung in den letzten Monaten über den großen Unmut von Studierenden und Mitarbeiter*innen hinweg. Genau deshalb erscheint die Entscheidung des letzten Mittwochs so besonders: Weit über einhundert Studierende der Politikwissenschaft haben den Antrag ihres Faches unterstützt, der die notwendige Rettung einer Professur vorsah. Dazu gab es gute Argumente aus allen Statusgruppen der Universität und die Betonung einer solidarischen Perspektive für alle Fächer, denen in Zukunft ebenfalls Alternativen zu den in der “Partiellen Fortschreibung des Hochschulentwicklungsplanes” (HEP) festgeschriebenen Kürzungen ermöglicht werden sollen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat der MLU dann auch beschlossen, dass eben jene Professur für Politische Theorie erhalten wird. Damit hat die Politikwissenschaft eine gute Chance, sich neu aufzustellen und ein vielfältiges und gutes Studium anzubieten. Die schlimmsten Auswirkungen der Kürzungen in der Politikwissenschaft werden damit abgefedert.

Grundsätzlich bleibt das Finanzierungsproblem aber eines, das nicht an der MLU gelöst werden kann. Die Philosophische Fakultät I musste zur Rettung des Lehrstuhls andere Kürzungen vorschlagen, die lediglich weniger schädliche Auswirkungen haben. Die Entscheidung bleibt damit zwar ein großer Erfolg, aber den grundsätzlichen Fortgang der Kürzungspolitik konnte sie nicht beenden. Die MLU bleibt extrem unterfinanziert. Auch für das Jahr 2023 sind massive Haushaltssperren geplant, die das wissenschaftliche Arbeiten und Studieren immens erschweren werden. Kürzungen bei Sachmitteln und Stellenbesetzungssperren bleiben also Alltag, dazu kommen erhöhte Ausgaben durch die Energiekrise, es könnte also sogar noch einmal schlimmer werden. Die im HEP vorgesehenen Kürzungen helfen übrigens kaum, denn es ist praktisch unmöglich genug zu kürzen, um die Mehrkosten aufzufangen. Es zeigt sich also: der HEP war eine extrem schmerzhafte, ungerechte und unwissenschaftliche Entscheidung, die nicht einmal ihre einzige vom damaligen Rektorat formulierte Daseinsberechtigung, die finanzielle Entlastung der MLU, erfüllen kann.

Deshalb ist es umso unverständlicher, dass die Landesregierung keinerlei unterstützende Signale sendet. Es wird zwar über die Übernahme von Mehrkosten diskutiert, aber es gibt seit der Verabschiedung des HEPs keinen inhaltlichen Kommentar zur Situation an der MLU. Dabei werden jetzt gerade die Folgen deutlich. Während die Politikwissenschaft gerettet werden konnte, steht der Master Accounting, Taxation, Finance (ATF) vor dem Aus. Der Master Wirtschaftsmathematik und alle Studiengänge der Südasienwissenschaften und der Indologie wurden bereits in der letzten Senatssitzung geschlossen. Das folgt aus Beschlüssen des HEPs, die laut dem Landeswissenschaftsministerium keine inhaltlichen Vorgaben wären und deshalb nicht kommentiert werden müssten. In diesem Fall wird diese Ausrede aber endgültig nicht mehr möglich sein, denn die vom Senat beschlossene Schließung der Studiengänge muss durch das Ministerium genehmigt werden. Die Landesebene hat jetzt die Möglichkeit, darüber zu entscheiden: Soll die Fächervielfalt weiter abgebaut werden oder will man doch endlich über die Unterfinanzierung reden? Jetzt kann sich die Landesregierung nicht weiter hinter dem Argument der “Hochschulautonomie” verstecken. Ob die Studiengänge tatsächlich eingestellt werden, liegt nun allein in den Händen des Ministeriums.

Als Sprecher*innenkollegium fordern wir die Landesregierung dazu auf, hier Farbe zu bekennen und die massive Unterfinanzierung der Hochschulen in Sachsen-Anhalt im Landeshaushalt 2023, der gerade verhandelt wird, zu beseitigen. Die derzeitige Situation an der MLU ist nicht hinnehmbar, verhindert Bildung und Wissenschaft und droht der Zukunftsfähigkeit einer ganzen Region zu schaden. Ein “Weiter-So” ist nicht möglich. Und deshalb werden auch die Proteste weitergehen.

Die Studierendenschaft sieht sich durch die Entscheidung des akademischen Senats vom letzten Mittwoch ermutigt. Weder der Hochschulentwicklungsplan in seiner ursprünglichen Form, noch die einheitliche Abstimmungsweise der Professor*innen im Senat sind in Stein gemeißelt – studentischer Protest ist wirksam. Daher werden wir als Sprecher*innenkollegium auch in Zukunft gemeinsam mit Studierenden, den Gewerkschaften und dem Aktionsbündnis #MLUnterfinanziert für eine ausfinanzierte Universität kämpfen. Die Entscheidung über die Politikwissenschaft ist eine erste wichtige Kurskorrektur, aber das Ruder muss erst noch herumgerissen werden.