Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Tietje,
Sehr geehrter Herr Leber,
Sehr geehrte Mitglieder des Inklusionsteams der Martin-Luther-Universität,
Sehr geehrte Beteiligte an der Erarbeitung der Inklusionsvereinbarung,

Am heutigen Tag wurde die Inklusionsvereinbarung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unterzeichnet und löst damit die alte Integrationsvereinbarung von 2006 ab. Wie bereits in der Vereinbarung von 2006 ist auch die Studierendenschaft, vertreten durch den Studierendenrat, Unterzeichner der Vereinbarung. Wir halten es für wichtig hervorzuheben, dass dies in Deutschland einmalig ist und wir froh und dankbar dafür sind, Teil dieser Vereinbarung zu sein. Nichtsdestotrotz möchten wir das heutige Ereignis der Unterzeichnung auch nutzen, um Kritik am gemeinsamen Umgang zu üben und Vorschläge für die weitere gemeinsame Arbeit zu machen. Für eine gute Zusammenarbeit ist das Annehmen von Kritik essenziell, und dafür muss die Kritik geäußert werden. Bitte lesen Sie die folgenden Zeilen also mit dem Hintergedanken, dass uns allen an einer guten Zusammenarbeit im Rahmen der Inklusionsarbeit an der MLU gelegen sein sollte.

Der Prozess der Erarbeitung war ein langer und in großen Teilen ein von Frust geprägter. Zur Erarbeitung der Inklusionsvereinbarung wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, um eine möglichst effiziente Arbeitsweise zu finden. Ein verständlicher Schritt, wie wir finden. Unverständlich ist aber, warum weder das alte Integrationsteam noch alle Unterzeichner*innen der Vereinbarung von 2006 darüber in Kenntnis gesetzt wurden, sondern lediglich eine Auswahl dieser. Wir wurden nicht in Kenntnis gesetzt. So begab es sich, dass unser Arbeitskreis Inklusion erst ca. ein halbes Jahr nach Start der Erarbeitung der Inklusionsvereinbarung von dieser Notiz nahm. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass uns dies zuerst in Schock versetzte und wir im ersten Moment die Sorge hatten, nicht mehr Teil der neuen Vereinbarung zu sein. Diese Sorge wurde uns zwar vorerst genommen, wirklich in den Prozess aufgenommen wurden wir aber nicht. Es arbeitete weiterhin eine Arbeitsgruppe ohne studentische Beteiligung eine Vereinbarung aus, die die Studierendenschaft am Ende mitunterzeichnen sollte. In unserer Wahrnehmung wurden wir also, obwohl Teil der Vereinbarung, nie als Partner auf Augenhöhe gesehen. Durch fehlende Protokolle von Sitzungen der Arbeitsgruppe konnten wir nicht nur den Erarbeitungsprozess und die Methodik schwer oder gar nicht nachvollziehen, uns fehlten auch Informationen darüber, was überhaupt diskutiert wurde. Der Prozess war für uns völlig intransparent. Verzweifelt versuchten wir uns mit konstruktiver Kritik in den Prozess zu bringen, arbeiteten ausführliche Änderungsentwürfe aus und brachten diese immer wieder ein, wenn auch oft knapp, da auch uns der aktuelle Entwurf in der Regel erst knapp zukam. Gehör wurde uns keines geschenkt, die Vorschläge wurden abgelehnt, mit Begründungen, die für uns nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar waren. „Anmaßend“ sei unser Verhalten, wir würden versuchen den Prozess zu verzögern, würden persönliche Streitereien mit Anwesenden in die Diskussion einmischen. Ist es anmaßend, wenn wir versuchen an einer Vereinbarung auf Augenhöhe zu verhandeln? Verzögern wir den Prozess, wenn wir überhaupt erst mit einem halben Jahr Verzögerung durch Zufall an den Verhandlungen beteiligt werden? Sind es persönliche Streitereien, wenn wir lange und in der Sache hart aber begründet, über einzelne Paragraphen und unterschiedliche Rechtsauslegung diskutieren möchten? Erst als wir im Dezember 2021 in einer Mail an alle Beteiligten den schärfsten Ton, den wir zu bieten hatten, anschlugen, wurde uns endlich Gehör geschenkt, wenn auch mehr aus Schock als aus Überzeugung, so unsere Wahrnehmung. Es wurden Gespräche im neuen Jahr vereinbart. Wir waren froh, endlich richtig in den Prozess mit einsteigen zu können. Uns war von vorneherein klar, dass wir uns nicht bei allem würden einigen können, aber waren optimistisch einen Konsens zu finden. Die Gespräche liefen jedoch leider nicht so konstruktiv ab, wie wir es gewünscht hätten. Es wurde wenig auf uns zugegangen, teilweise wurden Personen, die für uns verhandelten, persönlich angegangen. Am Ende steht eine Vereinbarung, die wir eher mit zerknirschtem Gesicht mittragen als vollends hinter ihr zu stehen und in deren Erarbeitung wir offensichtlich unerwünscht waren.

Die Vereinbarung ist nun unterzeichnet und sieht eine*n Vertreter*in der Studierendenschaft im Inklusionsteam vor. Es wird also weitere Zusammenarbeit geben, weshalb wir uns Gedanken machen müssen, wie diese aussehen soll. Unser Vertrauen in Sie müssen Sie erst wieder aufbauen. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit nehmen wir mit, dass ein formloses Verfahren nicht funktionieren kann und fordern deshalb eine Formalisierung der Arbeit des Inklusionsteams. Wir werden hierfür eine Geschäftsordnung erarbeiten und vorschlagen. Diese wird mindestens genaue Fristen sowie eine Protokollpflicht, die über ein Ergebnisprotokoll hinausgeht, enthalten. Wir sind nun offiziell Mitunterzeichner*innen und möchten auch als solche gesehen werden, uns also auf Augenhöhe begegnen! Wir werden nicht aufhören, an der Vereinbarung und Inklusionsarbeit an der Universität generell konstruktive Kritik zu äußern. Diese muss gehört werden und gehört nicht unter den Tisch gekehrt, wie es bisher zu oft passiert ist. Mehrfach wurde uns versichert, es gebe an der Universität eine „Koalition der Willigen“ zum Thema Inklusion. Von dieser erwarten wir nun Aktionspläne mit uns und nicht über unsere Köpfe hinweg. Wir sind schon lange dazu bereit, zeigen Sie uns endlich, dass Sie es auch sind!

Wir hoffen inständig, dass es das letzte Mal ist, dass wir uns dazu äußern müssen. Wir werden uns für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft einsetzen und hoffen, dass der Prozess der Erarbeitung der Vereinbarung die schlechte Ausnahme war.

Mit besten Grüßen

i.A.

Anton Borrmann, Luise Baack                                                                   Antonia Pielok
Vorsitzende Sprecher*innen des                                                               Sprecherin des AK Inklusion
Studierendenrates der MLU