Als Studierendenrat setzen wir uns für die Gleichheit aller Menschen ein, womit wir in der Tradition von fortschrittlicher Organisierung an den Hochschulen, wie sie beispielsweise auch die 1968 revoltierenden Kommiliton*innen anstrebten, stehen. Historisch und leider auch noch gegenwärtig stehen oftmals studentische Verbindungen für das Gegenteil, denn ihr Weltbild ist auf verschiedenen Ebenen von hierarchischen Vorstellungen durchzogen.
So geht es ihnen nicht darum, die Hochschule für alle zu öffnen, sondern darum, sie als exklusives Sprungbrett für den eigenen Status zu verwenden. Deshalb bestehen sie auf einem schnellen und guten Studium ihrer Aktiven und vertreten das Konzept des „Lebensbundes“, der einer abgeschlossenen Gruppe von Akademiker*innen Vorteile gegenüber allen anderen verschaffen soll.
Dabei ist das Problematische daran nicht, dass Menschen versuchen ihren eigenen Gehaltszettel aufzubessern, sondern der legitimierende Habitus: Eine Gruppe von Menschen ernennt sich selbst zur gesellschaftlichen Elite – beim „Corps Guestphalia Halle“ heißt es, man wolle „Vorbild“ sein und als elitär angesehen werden. Diejenigen, die nicht nur Elite gehören, haben sich dementsprechend zu fügen.
Diese Vorstellung der Ungleichheit spiegelt sich schon in der Aufnahmepraxis studentischer Verbindungen wider. So nimmt ein überwiegender Anteil ausschließlich Männer auf. Teilweise versucht man dies mit dem Verweis auf rein männliche Sport-Teams zu rechtfertigen, was aber nicht greift. Denn die Geschlechtertrennung in einem Sportverein kann sicher diskutiert werden, ist aber kein sexistischer Ausschluss aus einem Lebensbund. Tatsächlich geht es vielmehr darum, dass Frauen und Männern bestimmte Rolle zugewiesen werden: Das Männliche finde sich in der Politik und beim Trinken und Fechten mit den „Brüdern“, während sich das Weibliche in der häuslichen Sphäre verorten ließe. Beim Dachverband „Coburger Convent“ liest sich das dann so, dass man nur ohne Frauen und „Gender-Clash“ bei einem „Feierabend-Bierchen“ runterkommen könne.
Dieser Blick auf die Gesellschaft, der vor allem versucht, solche Legitimationen für Ungleichheit zu finden, zieht sich auch bis ins Geschichtsbild hinein. So distanzieren sich einige Verbindungen zwar durchaus vom klassisch nationalen Geschichtsrevisionismus, verherrlichen aber ihre vorgestellte Gründungsphase Anfang des 19. Jahrhunderts. So bezieht man sich positiv auf das republikanische Wartburgfest von 1817 und verehrt vermeintliche Helden aus den antinapoleonischen Befreiungskriegen ab 1813. Ignoriert wird dabei, dass sie die französische Besatzung nicht aus fortschrittlichen Gründen ablehnten und dass auf dem Wartburgfest nicht nur gegen den Adel, sondern auch gegen die Menschenwürde Stimmung gemacht wurde. Um eine positiven historischen Kern ihres Daseins zu finden, verehren Verbindungsmitglieder dementsprechend Antisemiten, Nationalisten und Sexisten wie den „Turnvater Jahn“, Ernst Moritz Arndt oder Theodor Körner und den deutschen Nationalismus, der von Beginn an bereits völkisch war.
Nicht nur historisch, sondern auch grundsätzlich, finden sich unter dem Label der studentischen Verbindung allerdings auch deutlich schlimmere Positionen wieder, die die der meisten Corps, Landsmannschaften oder Turnerschaften durchaus in den Schatten stellen. So beschäftigen sich die Bünde der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) vor allem mit der Frage, wie sie es schaffen, nicht nur staatsbürgerlich, sondern auch ethnisch „rein deutsch“ zu bleiben. Deshalb wurde dort in der Vergangenheit bereits ernsthaft ein sogenannter „Arierparagraf“ diskutiert. Beim hiesigen Ableger „Halle-Leobener Germania“ verehrt man deshalb auch nicht nur längst tote Nationalisten, sondern arbeitet mit sehr lebendigen militanten Faschist*innen zusammen, die entweder eingeladen wurden oder dort schon Mitglieder sind. Die „Germanen“ zeigen in ihrer Burschenschaft, wohin eine Ideologie der Ungleichheit führen kann: Nationalismus, Elitarismus und Sexismus des studentischen Verbindungsprinzips eskalieren hier seit Jahren zur völkischen Aggression.
Deshalb ist es für uns wichtig, die Diskussion über studentische Verbindungen zu suchen und Kritikpunkte präzise zu verdeutlichen. Dabei geht es nicht darum, bei allen zwanghaft das Gleiche zu kritisieren. Vielmehr liegen zwischen den Faschist*innen der Germania und anderen halleschen Verbindungen teilweise Welten. Die Kontakte, die es dann aber doch gibt und die ideologischen und historischen Verwandtschaften, machen es dann aber doch sinnvoll, alle Phänomene zusammen zu untersuchen und zu kritisieren.
Wir rufen deshalb dazu auf, Elitarismus, Sexismus oder Nationalismus in allen Verbindungen abzulehnen und stattdessen für eine fortschrittliche Organisierung an der Hochschule zu kämpfen!
Mehr Informationen dazu findet ihr zum Beispiel im „Dossier: Burschenschaften & Studentenverbindungen“ des apabiz – antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum eV: https://www.apabiz.de/2017/dossier-burschenschaften-studentenverbindungen/ [Dezember 2017]
Oder bei den Kommiliton*innen des Studierendenrates der TU Dresden im Reader „Ausgefuxt – Kritik an studentischen Verbindungen“: https://www.stura.tu-dresden.de/ausgefuxt [überarbeitet im März 2018]