Als Sprecher*innenkollegium des Studierendenrates der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg begrüßen wir die im Novellierungsentwurf vorgeschlagene Verbesserung hinsichtlich der sogenannten „Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung“. Diese wird an einigen Hochschulen statt einem normalen ärztlichen Attest verlangt, damit Studierende einer Prüfung entschuldigt fernbleiben können. Für diese Bescheinigung müssen dann Symptome angegeben werden, was nicht nur die ärztliche Schweigepflicht verletzt, sondern auch die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Studierenden. Darüber hinaus muss ein Prüfungsausschuss ohne medizinisches Fachwissen diese akzeptieren, der zwar zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, diese aber praktisch nicht immer garantieren kann. Wir meinen deshalb, dass ein Attest ausreichen muss und eine Erkrankung Sache zwischen Ärzt*innen und Studierenden ist.
 
Zu einem Verbot der Langzeitstudiengebühren konnte sich die „Kenia-Koalition“ nicht durchringen, dafür greifen die Gebühren bei Regelstudienzeitüberschreitung erst ab dem sechsten Semester nach Ablauf der Regelstudienzeit. Das ist eine verpasste Chance. Schade ist auch, dass man sich nicht an das Problem der Zweitstudiengebühren getraut hat, die ebenfalls äußerst unsinnig sind und zum Beispiel an der Uni Halle für Lehrämtler*innen sogar freiwillig ausgesetzt wurden. Wir sagen: Bildungsgebühren jeglicher Art führen dazu, dass Menschen der Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehrt wird oder sie hohen Belastungen aussetzt. Und selbst wenn einem*r nur an der viel beschworenen „Effizienz“ gelegen ist: Sie tragen nicht zu einer Beschleunigung des Studiums bei, im Gegenteil – sie verlängern es.
 
Dafür unterstützen wir die Versuche, eine Art „Zivilklausel“ einzuführen. Mit dieser wird den Hochschulen vorgeschrieben, Lehre, Forschung und Studium zu zivilen und friedlichen Zwecken durchzuführen und zu fördern. Leider fehlt im aktuellen Entwurf, der von den Hochschulen einen Beitrag für eine „friedliche und gerechte“ Welt einfordert, nicht nur der verpflichtende Charakter, sondern auch die Umsetzungsperspektive. Diese wäre vor allem mit einer Transparenzpflicht zu haben.
 
Mit der „hinreichenden Begründung einer verpflichtenden Teilnahme in Lehrveranstaltungen“ ist ein erster Schritt in Richtung eines Verbots des Anwesenheitszwanges getan, allerdings mangelt es an einer konkreten Definition, was unter „hinreichend“ zu verstehen ist. Hier wünschen wir uns mehr Klarheit, um unangenehmen Missverständnissen und etwaigen Sanktionen seitens der Dozierenden nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Gerade die Situation in Halle zeigt, dass sich die Befürworter*innen der Anwesenheitspflicht einiges einfallen lassen, um ihre Praxis weiterhin durchzuziehen. Klare Formulierungen im Gesetz können eine Argumentationshilfe für diejenigen sein, denen sonst nur die juristische Klage bleiben würde.
 
Darüber hinaus befürworten wir die Einführung einer Viertelparität im Senat der Hochschulen. Diese begrüßen wir im Gegensatz zu den Rektor*innen Sachsen-Anhalts, die darin weniger die enthaltenen Chancen für eine bessere Hochschuldemokratie sehen wollen und die Neuregelung stattdessen eher fürchten. Hier ist die Kritik der “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft” (GEW) zu teilen, die feststellt: „Wer mehr Rechte haben will, muss auch mehr demokratische Beteiligung und Kontrolle zulassen!“ Beim Thema Demokratisierung ist darüber hinaus auch die Einführung einer Promovierendenvertretung zu begrüßen, die unser ehemaliger StuRa-Arbeitskreis „Promovierendenrart“ lange gefordert hat.
 
Wir sehen die Frage der Viertelparität ähnlich wie die GEW und damit fundamental anders als die Rektor*innen. Denn wir glauben, dass einige Entscheidungen zu Kürzungen und zur Verbesserung der Studierendensituation besser diskutiert worden wären, hätte man diese Regelung früher getroffen. Allerdings kritisieren wir, dass hier nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Denn diese wird aufgehoben, wenn es um Angelegenheiten der Forschung, der Lehre und künstlerischer Entwicklungsvorhaben geht. In diesem Fall gehören dem Gremium zusätzlich sieben weitere Hochschulprofessor*innen an. Somit bleibt die Viertelparität am Ende zahnlos und die Ordinarien-Struktur des Senats besteht weiterhin. Wir denken, dass die hier oft genannte „Freiheit der Forschung und Lehre“ nicht abhängig von den Mehrheitsverhältnissen des akademischen Senats sein kann, der ja unabhängig von der Professor*innen-Mehrheit entweder in diese Freiheit eingreift oder eben nicht.
 
Der nächste Schritt in diesem Sinne wäre ein studentisches Mitglied im Rektorat der einzelnen Hochschulen Sachsen-Anhalts, um die Kommunikation zwischen der Hochschulleitung und denen, um die an den Hochschulen eben auch geht, nämlich den Studierenden, zu verbessern. Rostock und Ilmenau haben diesbezüglich bereits positive Erfahrungen gemacht, die man gut für die eigene hochschulpolitische Arbeit an der Uni nutzbar machen könnte. Deshalb fordern wir, dass die Novellierung die Öffnung des Rektorates für nicht-professorale Mitglieder beinhaltet.
 
Letztendlich bleibt festzuhalten, dass das Gesetz für die Studierenden ein paar gute Sachen bringen wird und es ist zu hoffen, dass es den Kritiker*innen nicht gelingt, diese positiven Entwicklungen rückgängig zu machen. Nichtsdestotrotz bleibt das Gesetz – wie schon angedeutet – hinter seinen Möglichkeiten zurück. So gibt es beispielsweise beim Thema Gleichstellung die Verbesserung, dass die entsprechenden Beauftragten in den Berufungskommissionen das Stimmrecht erhalten, allerdings löst diese Maßnahme kaum das Problem auf, dass der Professorinnen-Anteil in Sachsen-Anhalt extrem niedrig ist. Auch bei den Rechten der Arbeitnehmer*innen gäbe es Verbesserungspotential. Hier soll das neue Gesetz auf die „angemessene“ Behandlung der befristet Beschäftigten drängen, ohne aber viel konkreter zu werden. Der Entwurf hat ebenso in anderen Bereichen noch Nachholbedarf. So fehlt die Gleichstellung von Fachhochschulen und Universitäten bei dem Promotionsrecht, es ist nicht klar, wann es überhaupt in Kraft tritt und manche Punkte sind äußerst unklar formuliert. Der Paragraf 17 regelt beispielsweise, dass Zeugnisse auch in englischer Sprache vergeben werden müssen, grenzt es aber auf die tendenziell aussterbenden Diplome ein, wofür es keinen sinnvollen Grund gibt.
 
Das Gesetz hat offenbar vor allem die Aufgabe, die Hochschulen für Kooperationen mit der Wirtschaft zu öffnen, wobei vor allem Ausgründungen und gemeinsame Projekte erleichtert werden sollen. Wir sind zwar der Meinung, dass die Hochschulen in die Gesellschaft wirken sollen („third mission“) – nicht aber unter der Maßgabe der Profitorientierung. Auch wenn wir uns über die in dem Zuge erfolgende Modernisierung der Studienbedingungen freuen, weisen wir doch darauf hin, dass das nicht das Ziel der wissenschaftlichen Einrichtungen sein kann. Stattdessen rufen wir dazu auf, sich auf die für ein gutes Studium und sinnvolle Forschung wichtigen Punkte zu konzentrieren.
 
Wir fordern deshalb die weitergehende Demokratisierung der Hochschulen, die echte Freiheit von Studium und Lehre, die strukturelle Stärkung der Arbeitnehmer*innen und die verpflichtende Umsetzung von Gleichstellungszielen!